13KGHT73 bambusliebe trifft naturlandkind
bambusliebe trifft naturlandkind

bambusliebe trifft naturlandkind

bambusliebe trifft naturlandkind

Ein Interview über die Macht von Veränderungen, der Verbundenheit zur Natur und darüber, warum Gurken nicht 0,60 ct kosten sollten

„Dein Kassenbon ist ein Stimmzettel!“ Dieser Satz stammt leider nicht von mir (obwohl ich ihn gern geprägt hätte), sondern von Viktoria Heyn, vielen besser bekannt als naturlandkind und ein Leitbild der Inspiration. Dass man das durchaus so sagen kann, zeigt ihr Instagram-Account, der derzeit fast 76.000 Follower verzeichnet. Dieser Account entstand aus der Leidenschaft zur Fotografie, an DIYs und durch das Interesse an einer nachhaltigen, plastikreduzierten Lebensweise.

Im Oktober erschien Viktorias Buch „Besser naturbewusst leben“ (Christian Verlag). Bei all dem Erfolg und den Impulsen, die sie gibt, bleibt sie dennoch ausgeglichen: „Es gibt Tage, an denen ich müde bin. Tage, an denen ich denke, dass ich als einzelner Mensch nichts bewirken kann und in alte Muster zurück verfalle. Es gibt Situationen, in denen ich Prinzipien breche und Ausnahmen mache. Das ist okay. Es kommen dafür wieder umso mehr Tage, an denen ich motiviert bin, an denen ich daran glaube, wie viel ein einzelner Mensch bewirken kann… Dabei hat jeder seine eigenen Lösungen. Meine Lösung muss nicht deine Lösung sein. Wichtig ist, wieder ein Stück unabhängiger von Ketten und Konzernen zu leben und durch den eigenen Konsum ein Zeichen zu setzen.“

Ich finde das sympathisch und ehrlich und genauso hat sich Viktoria auch den folgenden Fragen gestellt, zu einem nachhaltigen Gedankenaustausch.

bambusliebe: Erst mal Gratulation zum eigenen Buch! Auf 160 Seiten gibst du Anregungen für mehr Nachhaltigkeit in alltäglichen Lebensbereichen. Was machst du, wenn du gerade nicht inspirierende Posts oder Bücher veröffentlichst?

Viktoria: Vielen Dank, ich freue mich sehr, dass ich dieses Projekt nun veröffentlichen konnte! Ich bin gelernte Erzieherin und arbeite vormittags in einer Schule. Am Nachmittag studiere ich seit 2,5 Jahren über ein Fernstudium „Soziale Arbeit“. Zusätzlich zu dem Instagram Account ist meine Zeit also sehr gut ausgefüllt. Um den Kopf frei zu bekommen, verbringe ich gern Zeit im Garten, in der Natur und beim Laufen, aber auch in der Küche, beim Kochen oder Kuchen backen.

Mit deinen drei Geschwistern bist du sehr naturverbunden aufgewachsen. Wurde euch eine nachhaltige Lebensführung quasi mit in die Wiege gelegt?

Wir wuchsen auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf im Wendland auf. Unsere Kindheit verbrachten wir hauptsächlich draußen. Bevorzugte Spielorte waren selbstgebaute Höhlen in Gebüschen und die Spielutensilien aus Naturmaterialien wie Stöcke, Steine und Wasser. Aber natürlich hatten wir auch Spielzeug. Meine Oma und Mutter nahmen uns von klein auf mit in den Garten, wo wir beim Aussäen und Ernten halfen. Als Kinder hatten wir Platz für unsere eigenen Beete und säten dort Möhren und Radieschen. Somit sind wir also mitten in der Natur aufgewachsen und ganz nebenbei eben auch naturverbunden. Meine Mutter legte schon immer Wert auf frisch gekochtes Essen und teilweise biologische Produkte.

Was ist deine schönste Kindheitserinnerung?

Das Spielen in der Natur! Mir fällt spontan keine besonders prägende Erinnerung ein. Wir waren sehr kreativ und dachten uns immer wieder neue Spielideen aus, sowohl drinnen als auch draußen. Bei Regenwetter fuhren wir oft mit unseren Fahrrädern durch riesige Pfützen. Ein besonderes Highlight war auch immer der Besuch bei meiner Oma. Sie hatte einen riesigen Garten mit Obst und Gemüse. Besonders gern pflückten wir Erbsen, die wir gleich direkt naschten. Ein weiteres schönes Erlebnis war auch der Einkauf mit meiner Oma. In einem kleinen Dorfladen (bei Tante Erna) konnte man damals „noch“ teilweise unverpackt einkaufen. Und mit unserem Vater gingen wir oft zum Landgraben und legten eine Reuse ins Wasser, um Fische zu fangen. Mein Bruder und ich waren immer so neugierig, dass wir oft heimlich mit den Fahrrädern hinfuhren, um zu gucken. Häufig waren aber nur Krebse darin, die wir beobachteten und dann wieder frei ließen.

Das klingt traumhaft. Heute wachsen die meisten Kinder ganz anders auf; sind von klein auf an Konsum gewöhnt. Kein Wunder, dass man später dann im Gleichschritt und ganz unbedarft in die typischen Konsumfallen tappt. Da ist der Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit, ein Prozess, der seine Zeit braucht. Gab es bei dir Veränderungen, die gewöhnungsbedürftig waren?

Ja, besonders an den vermehrten Verzicht auf Fleisch musste ich mich gewöhnen. Auf dem Land mit eigenen Tieren ist das Essen von Fleisch einfach ganz normal. Ich habe immer gedacht, dass ich mir das nie abgewöhnen kann.

Und wie ist es jetzt?

Ich habe irgendwann angefangen weniger Fleisch zu essen und Alternativen auszuprobieren, aber ohne Druck. So konnte ich mir doch recht schnell das Fleischessen abgewöhnen und muss sagen, dass es mir auch nicht mehr schwerfällt, ganz im Gegenteil. Deshalb ist das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen auf jeden Fall ein Prozess, der für den einen schneller geht und für den anderen etwas länger dauert. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und Veränderungen Schritt für Schritt anzugehen. So kann man sich meiner Erfahrung nach besser darauf einlassen, ohne schnell frustriert zu sein und sich bewusst machen, dass jede Kleinigkeit zählt. Manchmal macht man Rückschritte, aus Bequemlichkeit. Das habe ich mittlerweile auch akzeptiert und freue mich dann, wenn es eben zu 80 % oder 90 % gut klappt.

Wow, eine hohe Prozentzahl! Du sagst von dir selbst, dass auch dir kein perfekt nachhaltiges, müllfreies Leben gelingt. Aber du bist ziemlich nahe dran. Tröste uns und erzähle uns zwei Dinge, die noch nicht so klappen, wie du es gernhättest.

Der wöchentliche Einkauf ist mir immer noch ein Laster. Der nächste Unverpackt-Laden ist 20 km entfernt, dementsprechend kaufe ich dort nicht regelmäßig ein. Ich verbinde die Fahrten dann mit anderen Unternehmungen, sodass sich die Strecke lohnt. Im Alltag bin ich somit an den regionalen Bioladen und andere Supermärkte gebunden und beim Einkaufen fällt oft noch Müll an. Die zweite Sache ist die Mobilität: Ich wohne ländlich und muss vieles mit dem Auto erledigen.

Und wo holst du dir Tipps und Anregungen?

Zum größten Teil bei meiner Mutter und meinen Omas. Sie sind für mich immer noch große Vorbilder in Bezug auf ein nachhaltiges und naturnahes Leben, denn für sie war es schon immer normal. Zudem lasse ich mich von Büchern und Dokumentationen inspirieren.

Wie sieht eigentlich der rein wirtschaftliche Aspekt der Nachhaltigkeit im Alltag aus: Bio und unverpackt ist ja oft teurer oder kann man durch das Selbermachen auch sparen?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten; es kommt auch immer auf den jeweiligen Lebensstil an. Durch das Selbermachen lernt man aber Produkte und Lebensmittel ganz anders wertzuschätzen, weil man weiß, was einzelne Zutaten kosten und welche Zeit man in die Herstellung investiert hat. Dadurch versteht man, dass z. B. ein festes Shampoo im Schnitt 9 € kostet, was völlig ok ist. Denn die einzelnen Zutaten in Bioqualität haben eben einen gewissen Preis. Es gibt aber viele Produkte, bei denen man durch das Selbermachen auf jeden Fall Geld sparen kann. Biolebensmittel und Produkte im Unverpackt-Laden erscheinen erstmal teurer, doch wenn man sich mit dem System auseinandersetzt, erkennt man den Fehler darin. Wir sind einfach verwöhnt von billigen und nicht angemessenen Preisen im herkömmlichen Supermarkt oder Discounter. Dieses System geht zulasten anderer Menschen. Die Produzenten bekommen meistens nicht viel Geld für ihre Produkte, müssen deshalb in Massen produzieren und können ihre Mitarbeiter nicht angemessen bezahlen. Trotzdem sind sie auf die Supermärkte als Abnehmer angewiesen und somit verkaufen sie ihre Produkte billig weiter. Ich verdeutliche das oft an einem Beispiel: Ein konventioneller Landwirt/Produzent bekommt zum Teil nur 0,02 € für eine Gurke. Im Supermarkt kann diese Gurke also für 0,60 € weiterverkauft werden. Wer schon einmal selbst Gurken angebaut hat weiß, dass dieser Preis nicht stimmen kann. Denn die Samen, Pflanzen, Wasser und Pflege – all das kostet Geld und Zeit. Eigentlich sollte also eine Gurke für so wenig Geld gar nicht weiterverkauft werden. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass hinter billigen Preisen kein faires Handeln steht. Bio und unverpackt Einkaufen ist teurer, meiner Meinung nach aber angemessen.

Naturbewusst zu handeln erfordert also einen gewissen Einsatz. Zählen da Argumente wie „keine Zeit“ oder „kein Geld“, wenn man den nicht bringen mag?

Ich verstehe die Argumente „Zeit“ und „Geld“ sehr gut. Mir persönlich fällt das auch manchmal schwer. Trotzdem ist es keine Entschuldigung, nicht anzufangen und sich nicht zu bemühen. Niemand muss von heute auf morgen alles umstellen und verändern. Ich bin aber der Meinung, dass wir uns nach und nach umstellen müssen. Die Massenproduktion und der -konsum schaden uns selbst und der Umwelt. Langfristig wird die Erde das nicht verkraften, die Ressourcen werden knapper. Uns sollte bewusst sein, dass alternative Materialien erstmal teurer erscheinen, aber wenn wir ein gutes Produkt kaufen, das qualitativ und fair hergestellt wurde, dann haben wir auch länger etwas davon. Eine Edelstahldose ist sehr robust, das Material ist viel langlebiger als Kunststoff und sie wird sicher viele Jahre halten.

Apropos Edelstahldose: Bei mir – und bestimmt bei vielen anderen – ist es jetzt so, dass wir gern ganz viel ändern möchten, aber noch diverse Relikte aus unserem plastiküberfluteten Leben vor dem neuen Bewusstsein haben, sprich Vorratsbehälter und Co. Wie gehen wir deiner Meinung nach am besten damit um – weiterbenutzen, verschenken, wegwerfen?

Ich empfehle nichts wegzuwerfen, denn das ist überhaupt nicht nachhaltig. Bei der Vorratshaltung kommt es auch immer auf das jeweilige Lebensmittel an; fettige Produkte würde ich nicht mehr in Plastikbehältern lagern, bei Nudeln etc. sieht es anders aus, weil sich durch diese Produkte keine Kunststoffe lösen. Mein Tipp ist, die Plastikbehälter einfach für andere Dinge weiterzuverwenden, zur Lagerung von irgendwelchen Haushaltsgegenständen wie Schrauben, Nägel, Büroklammern, Saattüten, was auch immer. Da findet jeder sicherlich einen guten Zweck es weiter zu nutzen. Sollte man keine Verwendung finden, kann man sie verschenken. Rührschüsseln aus Plastik sollten nicht weiterverwendet werden und Wasserkocher aus Plastik würde ich tatsächlich entsorgen, weil sich da vermutlich jedes Mal Mikroplastik freisetzt. Also es kommt immer darauf an.

Um dazu zu inspirieren Dinge zu ändern und sich umzustellen, hast du das eingangs erwähnten Buches geschrieben. Dazu noch Job, Studium, Instagram. Wie kriegst du das alles unter einen Hut und hast auch noch Zeit für DIYs? Hast du für uns einen Tipp?

Das frage ich mich tatsächlich selbst manchmal. Ich bin sehr ehrgeizig und zielstrebig, deshalb schaffe ich meistens alles, was ich mir vornehme. Arbeit und Studium zählen zu meinem Vollzeitjob. Am Wochenende nehme ich mir dann vermehrt Zeit für Instagram, Gartenarbeit und das Selbermachen. Das sehe ich als Hobby und deshalb macht es mir Spaß. Aber ich merke auch, dass ich manchmal gar nicht alles schaffen kann. Als Ausgleich mache ich regelmäßig Sport und gönne mir bewusst Auszeiten. Die Auszeiten kommen manchmal aber viel zu kurz, daran muss ich noch arbeiten.

Das geht sicher vielen so. Hattest du denn mal Zeit und Gelegenheit bei Fridays for Future dabei zu sein? Falls ja, wie hast du das erlebt?

Ich bin bei Fridays for Future leider nicht so aktiv, weil meine Arbeitszeiten es nicht zulassen. Die Arbeit mit Menschen bringt eine gewisse Verantwortung und Aufsichtspflicht mit sich. An zwei Demonstrationen konnte ich aber schon teilnehmen und finde diese Bewegung großartig! Die Schüler/innen informieren sich, recherchieren und bringen wirklich großartiges zusammen. FFF ist mittlerweile eine große Bewegung geworden. Dadurch sitzt das Thema in allen Köpfen. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen über den Klimawandel sprechen; das Politiker/innen sich eingestehen, dass es so nicht weiter gehen kann. Der Druck wächst und letztendlich liegt es in unseren Händen. Wir als Konsumenten haben eine große Macht. Wir können jeden Tag dafür einstehen, die Machtverhältnisse zu brechen und bestimmte Systeme nicht mehr zu unterstützen. 

Auf der anderen Seite gibt viele Menschen, die resignieren und denken: „Ich kann da sowieso nichts ausrichten“. Was würdest du ihnen entgegnen?

Ja, die Gedanken hatte ich früher auch. Was bringt es, wenn ich alleine etwas verändere? Eine einzelne Person kann tatsächlich nicht viel ausrichten. Wenn wir aber alle so denken würden, dann hätte sich bis heute nichts verändert. Veränderungen entstehen durch viele einzelne Menschen, die sich Gegenseitig inspirieren. So wie jede Revolution sich aus einzelnen Kämpfer/innen entwickelt hat. Aus einzelnen Menschen entsteht eine Bewegung und Gemeinschaft, so wie die Fridays for Future-Bewegung.  

Dein Blick in die Zukunft: Ist der sorgenvoll oder zuversichtlich?

Beides. Es gibt Tage, an denen ich sehr motiviert bin, an denen ich glaube, dass so viele Menschen doch mittlerweile Bescheid wissen und etwas verändern wollen. Und dann gibt es Tage, wo ich aus meiner Blase herauskomme und feststelle, wie wenig Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzen, obwohl es doch so publik ist. In Anbetracht der Wissenschaft und der wenigen Zeit die uns noch bleibt, um etwas zu verändern, habe ich große Sorge. Besonders, weil sich leider in der Politik sehr wenig tut.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast, Viktoria. Wir hoffen, dass dieses Interview genauso dazu anregt, seine Gewohnheiten und sein Handeln zu überdenken, wie der Account vom naturlandkind. Weil eine Veränderung unumgänglich ist und eine Bewegung braucht.

bambusliebe trifft naturlandkind

Ein Interview über die Macht von Veränderungen, der Verbundenheit zur Natur und darüber, warum Gurken nicht 0,60 ct kosten sollten

„Dein Kassenbon ist ein Stimmzettel!“ Dieser Satz stammt leider nicht von mir (obwohl ich ihn gern geprägt hätte), sondern von Viktoria Heyn, vielen besser bekannt als naturlandkind und ein Leitbild der Inspiration. Dass man das durchaus so sagen kann, zeigt ihr Instagram-Account, der derzeit fast 76.000 Follower verzeichnet. Dieser Account entstand aus der Leidenschaft zur Fotografie, an DIYs und durch das Interesse an einer nachhaltigen, plastikreduzierten Lebensweise.

Im Oktober erschien Viktorias Buch „Besser naturbewusst leben“ (Christian Verlag). Bei all dem Erfolg und den Impulsen, die sie gibt, bleibt sie dennoch ausgeglichen: „Es gibt Tage, an denen ich müde bin. Tage, an denen ich denke, dass ich als einzelner Mensch nichts bewirken kann und in alte Muster zurück verfalle. Es gibt Situationen, in denen ich Prinzipien breche und Ausnahmen mache. Das ist okay. Es kommen dafür wieder umso mehr Tage, an denen ich motiviert bin, an denen ich daran glaube, wie viel ein einzelner Mensch bewirken kann… Dabei hat jeder seine eigenen Lösungen. Meine Lösung muss nicht deine Lösung sein. Wichtig ist, wieder ein Stück unabhängiger von Ketten und Konzernen zu leben und durch den eigenen Konsum ein Zeichen zu setzen.“

Ich finde das sympathisch und ehrlich und genauso hat sich Viktoria auch den folgenden Fragen gestellt, zu einem nachhaltigen Gedankenaustausch.

bambusliebe: Erst mal Gratulation zum eigenen Buch! Auf 160 Seiten gibst du Anregungen für mehr Nachhaltigkeit in alltäglichen Lebensbereichen. Was machst du, wenn du gerade nicht inspirierende Posts oder Bücher veröffentlichst?

Viktoria: Vielen Dank, ich freue mich sehr, dass ich dieses Projekt nun veröffentlichen konnte! Ich bin gelernte Erzieherin und arbeite vormittags in einer Schule. Am Nachmittag studiere ich seit 2,5 Jahren über ein Fernstudium „Soziale Arbeit“. Zusätzlich zu dem Instagram Account ist meine Zeit also sehr gut ausgefüllt. Um den Kopf frei zu bekommen, verbringe ich gern Zeit im Garten, in der Natur und beim Laufen, aber auch in der Küche, beim Kochen oder Kuchen backen.

Mit deinen drei Geschwistern bist du sehr naturverbunden aufgewachsen. Wurde euch eine nachhaltige Lebensführung quasi mit in die Wiege gelegt?

Wir wuchsen auf einem Bauernhof in einem kleinen Dorf im Wendland auf. Unsere Kindheit verbrachten wir hauptsächlich draußen. Bevorzugte Spielorte waren selbstgebaute Höhlen in Gebüschen und die Spielutensilien aus Naturmaterialien wie Stöcke, Steine und Wasser. Aber natürlich hatten wir auch Spielzeug. Meine Oma und Mutter nahmen uns von klein auf mit in den Garten, wo wir beim Aussäen und Ernten halfen. Als Kinder hatten wir Platz für unsere eigenen Beete und säten dort Möhren und Radieschen. Somit sind wir also mitten in der Natur aufgewachsen und ganz nebenbei eben auch naturverbunden. Meine Mutter legte schon immer Wert auf frisch gekochtes Essen und teilweise biologische Produkte.

Was ist deine schönste Kindheitserinnerung?

Das Spielen in der Natur! Mir fällt spontan keine besonders prägende Erinnerung ein. Wir waren sehr kreativ und dachten uns immer wieder neue Spielideen aus, sowohl drinnen als auch draußen. Bei Regenwetter fuhren wir oft mit unseren Fahrrädern durch riesige Pfützen. Ein besonderes Highlight war auch immer der Besuch bei meiner Oma. Sie hatte einen riesigen Garten mit Obst und Gemüse. Besonders gern pflückten wir Erbsen, die wir gleich direkt naschten. Ein weiteres schönes Erlebnis war auch der Einkauf mit meiner Oma. In einem kleinen Dorfladen (bei Tante Erna) konnte man damals „noch“ teilweise unverpackt einkaufen. Und mit unserem Vater gingen wir oft zum Landgraben und legten eine Reuse ins Wasser, um Fische zu fangen. Mein Bruder und ich waren immer so neugierig, dass wir oft heimlich mit den Fahrrädern hinfuhren, um zu gucken. Häufig waren aber nur Krebse darin, die wir beobachteten und dann wieder frei ließen.

Das klingt traumhaft. Heute wachsen die meisten Kinder ganz anders auf; sind von klein auf an Konsum gewöhnt. Kein Wunder, dass man später dann im Gleichschritt und ganz unbedarft in die typischen Konsumfallen tappt. Da ist der Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit, ein Prozess, der seine Zeit braucht. Gab es bei dir Veränderungen, die gewöhnungsbedürftig waren?

Ja, besonders an den vermehrten Verzicht auf Fleisch musste ich mich gewöhnen. Auf dem Land mit eigenen Tieren ist das Essen von Fleisch einfach ganz normal. Ich habe immer gedacht, dass ich mir das nie abgewöhnen kann.

Und wie ist es jetzt?

Ich habe irgendwann angefangen weniger Fleisch zu essen und Alternativen auszuprobieren, aber ohne Druck. So konnte ich mir doch recht schnell das Fleischessen abgewöhnen und muss sagen, dass es mir auch nicht mehr schwerfällt, ganz im Gegenteil. Deshalb ist das Thema Nachhaltigkeit in allen Bereichen auf jeden Fall ein Prozess, der für den einen schneller geht und für den anderen etwas länger dauert. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen und Veränderungen Schritt für Schritt anzugehen. So kann man sich meiner Erfahrung nach besser darauf einlassen, ohne schnell frustriert zu sein und sich bewusst machen, dass jede Kleinigkeit zählt. Manchmal macht man Rückschritte, aus Bequemlichkeit. Das habe ich mittlerweile auch akzeptiert und freue mich dann, wenn es eben zu 80 % oder 90 % gut klappt.

Wow, eine hohe Prozentzahl! Du sagst von dir selbst, dass auch dir kein perfekt nachhaltiges, müllfreies Leben gelingt. Aber du bist ziemlich nahe dran. Tröste uns und erzähle uns zwei Dinge, die noch nicht so klappen, wie du es gernhättest.

Der wöchentliche Einkauf ist mir immer noch ein Laster. Der nächste Unverpackt-Laden ist 20 km entfernt, dementsprechend kaufe ich dort nicht regelmäßig ein. Ich verbinde die Fahrten dann mit anderen Unternehmungen, sodass sich die Strecke lohnt. Im Alltag bin ich somit an den regionalen Bioladen und andere Supermärkte gebunden und beim Einkaufen fällt oft noch Müll an. Die zweite Sache ist die Mobilität: Ich wohne ländlich und muss vieles mit dem Auto erledigen.

Und wo holst du dir Tipps und Anregungen?

Zum größten Teil bei meiner Mutter und meinen Omas. Sie sind für mich immer noch große Vorbilder in Bezug auf ein nachhaltiges und naturnahes Leben, denn für sie war es schon immer normal. Zudem lasse ich mich von Büchern und Dokumentationen inspirieren.

Wie sieht eigentlich der rein wirtschaftliche Aspekt der Nachhaltigkeit im Alltag aus: Bio und unverpackt ist ja oft teurer oder kann man durch das Selbermachen auch sparen?

Das lässt sich nicht pauschal beantworten; es kommt auch immer auf den jeweiligen Lebensstil an. Durch das Selbermachen lernt man aber Produkte und Lebensmittel ganz anders wertzuschätzen, weil man weiß, was einzelne Zutaten kosten und welche Zeit man in die Herstellung investiert hat. Dadurch versteht man, dass z. B. ein festes Shampoo im Schnitt 9 € kostet, was völlig ok ist. Denn die einzelnen Zutaten in Bioqualität haben eben einen gewissen Preis. Es gibt aber viele Produkte, bei denen man durch das Selbermachen auf jeden Fall Geld sparen kann. Biolebensmittel und Produkte im Unverpackt-Laden erscheinen erstmal teurer, doch wenn man sich mit dem System auseinandersetzt, erkennt man den Fehler darin. Wir sind einfach verwöhnt von billigen und nicht angemessenen Preisen im herkömmlichen Supermarkt oder Discounter. Dieses System geht zulasten anderer Menschen. Die Produzenten bekommen meistens nicht viel Geld für ihre Produkte, müssen deshalb in Massen produzieren und können ihre Mitarbeiter nicht angemessen bezahlen. Trotzdem sind sie auf die Supermärkte als Abnehmer angewiesen und somit verkaufen sie ihre Produkte billig weiter. Ich verdeutliche das oft an einem Beispiel: Ein konventioneller Landwirt/Produzent bekommt zum Teil nur 0,02 € für eine Gurke. Im Supermarkt kann diese Gurke also für 0,60 € weiterverkauft werden. Wer schon einmal selbst Gurken angebaut hat weiß, dass dieser Preis nicht stimmen kann. Denn die Samen, Pflanzen, Wasser und Pflege – all das kostet Geld und Zeit. Eigentlich sollte also eine Gurke für so wenig Geld gar nicht weiterverkauft werden. Ich habe auf jeden Fall gelernt, dass hinter billigen Preisen kein faires Handeln steht. Bio und unverpackt Einkaufen ist teurer, meiner Meinung nach aber angemessen.

Naturbewusst zu handeln erfordert also einen gewissen Einsatz. Zählen da Argumente wie „keine Zeit“ oder „kein Geld“, wenn man den nicht bringen mag?

Ich verstehe die Argumente „Zeit“ und „Geld“ sehr gut. Mir persönlich fällt das auch manchmal schwer. Trotzdem ist es keine Entschuldigung, nicht anzufangen und sich nicht zu bemühen. Niemand muss von heute auf morgen alles umstellen und verändern. Ich bin aber der Meinung, dass wir uns nach und nach umstellen müssen. Die Massenproduktion und der -konsum schaden uns selbst und der Umwelt. Langfristig wird die Erde das nicht verkraften, die Ressourcen werden knapper. Uns sollte bewusst sein, dass alternative Materialien erstmal teurer erscheinen, aber wenn wir ein gutes Produkt kaufen, das qualitativ und fair hergestellt wurde, dann haben wir auch länger etwas davon. Eine Edelstahldose ist sehr robust, das Material ist viel langlebiger als Kunststoff und sie wird sicher viele Jahre halten.

Apropos Edelstahldose: Bei mir – und bestimmt bei vielen anderen – ist es jetzt so, dass wir gern ganz viel ändern möchten, aber noch diverse Relikte aus unserem plastiküberfluteten Leben vor dem neuen Bewusstsein haben, sprich Vorratsbehälter und Co. Wie gehen wir deiner Meinung nach am besten damit um – weiterbenutzen, verschenken, wegwerfen?

Ich empfehle nichts wegzuwerfen, denn das ist überhaupt nicht nachhaltig. Bei der Vorratshaltung kommt es auch immer auf das jeweilige Lebensmittel an; fettige Produkte würde ich nicht mehr in Plastikbehältern lagern, bei Nudeln etc. sieht es anders aus, weil sich durch diese Produkte keine Kunststoffe lösen. Mein Tipp ist, die Plastikbehälter einfach für andere Dinge weiterzuverwenden, zur Lagerung von irgendwelchen Haushaltsgegenständen wie Schrauben, Nägel, Büroklammern, Saattüten, was auch immer. Da findet jeder sicherlich einen guten Zweck es weiter zu nutzen. Sollte man keine Verwendung finden, kann man sie verschenken. Rührschüsseln aus Plastik sollten nicht weiterverwendet werden und Wasserkocher aus Plastik würde ich tatsächlich entsorgen, weil sich da vermutlich jedes Mal Mikroplastik freisetzt. Also es kommt immer darauf an.

Um dazu zu inspirieren Dinge zu ändern und sich umzustellen, hast du das eingangs erwähnten Buches geschrieben. Dazu noch Job, Studium, Instagram. Wie kriegst du das alles unter einen Hut und hast auch noch Zeit für DIYs? Hast du für uns einen Tipp?

Das frage ich mich tatsächlich selbst manchmal. Ich bin sehr ehrgeizig und zielstrebig, deshalb schaffe ich meistens alles, was ich mir vornehme. Arbeit und Studium zählen zu meinem Vollzeitjob. Am Wochenende nehme ich mir dann vermehrt Zeit für Instagram, Gartenarbeit und das Selbermachen. Das sehe ich als Hobby und deshalb macht es mir Spaß. Aber ich merke auch, dass ich manchmal gar nicht alles schaffen kann. Als Ausgleich mache ich regelmäßig Sport und gönne mir bewusst Auszeiten. Die Auszeiten kommen manchmal aber viel zu kurz, daran muss ich noch arbeiten.

Das geht sicher vielen so. Hattest du denn mal Zeit und Gelegenheit bei Fridays for Future dabei zu sein? Falls ja, wie hast du das erlebt?

Ich bin bei Fridays for Future leider nicht so aktiv, weil meine Arbeitszeiten es nicht zulassen. Die Arbeit mit Menschen bringt eine gewisse Verantwortung und Aufsichtspflicht mit sich. An zwei Demonstrationen konnte ich aber schon teilnehmen und finde diese Bewegung großartig! Die Schüler/innen informieren sich, recherchieren und bringen wirklich großartiges zusammen. FFF ist mittlerweile eine große Bewegung geworden. Dadurch sitzt das Thema in allen Köpfen. Ich habe das Gefühl, dass immer mehr Menschen über den Klimawandel sprechen; das Politiker/innen sich eingestehen, dass es so nicht weiter gehen kann. Der Druck wächst und letztendlich liegt es in unseren Händen. Wir als Konsumenten haben eine große Macht. Wir können jeden Tag dafür einstehen, die Machtverhältnisse zu brechen und bestimmte Systeme nicht mehr zu unterstützen. 

Auf der anderen Seite gibt viele Menschen, die resignieren und denken: „Ich kann da sowieso nichts ausrichten“. Was würdest du ihnen entgegnen?

Ja, die Gedanken hatte ich früher auch. Was bringt es, wenn ich alleine etwas verändere? Eine einzelne Person kann tatsächlich nicht viel ausrichten. Wenn wir aber alle so denken würden, dann hätte sich bis heute nichts verändert. Veränderungen entstehen durch viele einzelne Menschen, die sich Gegenseitig inspirieren. So wie jede Revolution sich aus einzelnen Kämpfer/innen entwickelt hat. Aus einzelnen Menschen entsteht eine Bewegung und Gemeinschaft, so wie die Fridays for Future-Bewegung.  

Dein Blick in die Zukunft: Ist der sorgenvoll oder zuversichtlich?

Beides. Es gibt Tage, an denen ich sehr motiviert bin, an denen ich glaube, dass so viele Menschen doch mittlerweile Bescheid wissen und etwas verändern wollen. Und dann gibt es Tage, wo ich aus meiner Blase herauskomme und feststelle, wie wenig Menschen sich mit dem Thema auseinandersetzen, obwohl es doch so publik ist. In Anbetracht der Wissenschaft und der wenigen Zeit die uns noch bleibt, um etwas zu verändern, habe ich große Sorge. Besonders, weil sich leider in der Politik sehr wenig tut.

Vielen Dank, dass du dir die Zeit für uns genommen hast, Viktoria. Wir hoffen, dass dieses Interview genauso dazu anregt, seine Gewohnheiten und sein Handeln zu überdenken, wie der Account vom naturlandkind. Weil eine Veränderung unumgänglich ist und eine Bewegung braucht.

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