13KGHT73 Wie die Jamaika-Mütze die Umwelt retten kann
Wie die Jamaika-Mütze die Umwelt retten kann

Wie die Jamaika-Mütze die Umwelt retten kann

Manche Pflanzenarten sind so vielseitig nutzbar, dass es faszinierend ist. Dabei ist es gar nichts Neues, dass Mutter Natur uns alles gibt, was wir brauchen, wir haben es vielleicht nur vergessen. Deswegen ist es an der Zeit, mal über das „Cause I got high“-Image der Hanfpflanze hinauszublicken und uns wieder zu erinnern.

Der krautige Cannabis wächst meist einjährig, dabei erreichen die Stauden sehr unterschiedliche Höhen. An ungünstigen Standorten wird Hanf mitunter nur 20 cm groß, blüht und fruchtet aber trotzdem, wohingegen Pflanzen unter guten Bedingungen mehrere Meter hoch wachsen können. Weil die Wurzeln des Hanfs bis zu 140 cm in Tiefe wachsen, lockert die Pflanze feste Böden und verbessert die Struktur des Bodens. Dazu wächst Hanf recht schnell, sodass er schon in ungefähr hundert Tagen Ernte bereit ist. Dank seines dichten Blätterwerks, bekommen andere Krautgewächse nicht genug Licht und gehen ein. Deswegen sind beim Hanfanbau kaum Herbizide oder Pflanzenschutzmittel nötig und das hält die Umweltbelastung gering. Es gab in den USA und in Italien kleinere Untersuchungen, die zu Erfolg versprechenden Ergebnissen kamen: Wächst Hanf unter den richtigen Bedingungen, sind keine Herbizide notwendig; Hanf enthält von Natur aus Bestandteile, die Insekten abschrecken. Dennoch warnt Prof. Lawrence B. Smart von der Schule für Integrative Pflanzenkunde an der Cornell University vor der Behauptung, dass generell keine Pestizide nötig seien. Dort habe man Schädlinge und neue Pilzarten gefunden, die Hanf schädigen und die zurzeit untersucht werden.

Alle diese Vorzüge machen Hanf zu einer umweltfreundlichen, robusten Pflanze, die der Menschheitsgeschichte schon lange bekannt ist.

 

Richtig guter Stoff

In einem chinesischen Buch über Ackerbau und Heilpflanzen, das vermutlich zwischen 300 v. Chr. und 200 n. Chr. verfasst wurde, wird beschrieben, wie Hanf als Heilmittel gegen Rheuma, Malaria und andere Krankheiten helfen kann. Die Chinesen schätzten aber auch die nahrhaften Samen, genauso wie die robusten, langen Fasern der Stängel, aus denen z. B. Papier hergestellt wurde.

Die Fasern und Stoffe aus Hanf waren nass-, reißfest und strapazierfähig. Deswegen stand Hanf zur Zeit der Segelschifffahrt im 17. Jahrhundert ganz hoch im Kurs, da sich aus ihm Seile, Segel, Netze und Flaggen herstellen ließen und auch die Uniformen der Seeleute. Als der Fortschritt Dampfschiffe und Industrialisierung mit sich brachte, ging die Hanfproduktion zurück.

Zu der Zeit konnte Hanf noch nicht maschinell geerntet und gebrochen werden. Die Verarbeitung war Handarbeit – mühsam, aufwendig und teuer. Es wurden andere Rohstoffe entdeckt, deren Einkauf billiger und deren Weiterverarbeitung rationeller war: Baumwolle und die Erfindung der „Cotton Gin“ reformierten die Textilproduktion und die Papierhersteller fanden kostenloses, massenhaft vorhandenes Rohmaterial – Holz.

Ende der 1930er Jahre bekam Hanf in den USA wieder etwas Aufschwung, wurde jedoch durch das Marihuana Steuergesetz, den „Marijuana Tax Act“ und das Hanfanbauverbot gleicht wieder unterbunden. Kurz darauf kam der Zweite Weltkrieg und bedrohte die Rohstoffmärkte. Das Hanfverbot wurde nicht nur rückgängig gemacht, es wurde plötzlich auch Werbung für den Hanfanbau betrieben; schließlich sollten die Armeen mit strapazierfähigen Uniformen ausgerüstet werden. In den USA wurde Farmern der Film „Hemp for Victory“ (Hanf für den Sieg) vorgespielt, im Deutschen Reich die „Die lustige Hanffibel von 1942“ rausgebracht. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war es für die vielseitige Pflanze endgültig vorbei.

Es heißt, die erste Gutenberg-Bibel bestand aus Hanfleinen und auch van Gogh und Rembrandt malten ihre Werke auf diesem Material. Selbst das erste Auto vom Fließband von Henry Ford fuhr vorbildlich und umweltfreundlich mit Hanföl (bzw. Ethanol). Entweder war der Mann seiner Zeit voraus oder dachte einfach an das Naheliegendste und so meinte er: "Warum sollten wir Wälder abholzen, die für ihr Wachstum Jahrhunderte gebraucht haben und Rohstoffminen erschöpfen, die sich in unzähligen Jahren gebildet haben, wenn wir jährlich das Äquivalent von Wald- und Bergwerksprodukten auf einem Hanffeld ernten können?" 1941 bewies Ford dann das faszinierende Potenzial, das in Hanf steckt, als er diesen Rohstoff mit innovativer Technologie kombinierte und den Prototypen eines „Hanf“-Wagens herstellte, dessen Karosserie  aus einem Verbundstoff bestand. Dieser setzte sich aus 70 % Hanffasern, Stroh, Sisal und Kunststoff aus Zellulosefasern zusammen. Das Auto wies eine beeindruckende Stoßfestigkeit auf, war aber wesentlich leichter als die damals gängigen Stahlmodelle.

 

Hanfanbau – Pro und ein bisschen Contra

Da wundert es nicht sehr, dass manche behaupten, dass sich über Tausende Produkte aus Hanf herstellen lassen würden – quasi alles, was auf Erdölbasis oder der von Holzzellulose produziert wird. Und ja, es ist ein vielseitiges Gewächs, das sicher ein enormes Potenzial hat. Das zeigt der Amerikaner Bruce Dietzen, der sich von Henry Ford inspirieren ließ und 2016 sein „Canna Car“ baute – bestehend aus 100 Pfund Hanf und Harz. Auch Prof. Smart bezeichnet Hanf als vielseitige Pflanze, „da verschiedene Teile vom Stängel bis zur Blüte ‚zum Wohnen und Anziehen‘ verwendet werden können – zumindest theoretisch“.

Warum auch nicht? Angebaut werden könnte Hanf so gut wie überall; er wächst schnell und ist genügsam. Seine Fasern sind robust, haben aber ein geringes Gewicht. Im Vergleich zu Baumwolle hätte der Hanfanbau kürzere Transportwege und bräuchte weniger Bewässerung. Da er von „Kopf bis Fuß“ verwertbar ist, kann dieser Rohstoff optimal genutzt werden und weil die Hanffasern so widerstandsfähig sind, kann der Stoffkreislauf durch sie verlängert werden: Das heißt, dass sich Papier aus Hanf öfter recyceln lässt, als Papier aus Holzfasern.

Allerdings kann das, was Vorteile hat, kann auch Nachteile haben. Aufgrund der Größe von Pflanze und Wurzel haben eben auch andere wichtige Beikräuter keine Chance zu wachsen, was die Vielfalt gefährdet. Aus diesem Grund rät das Sächsische Landesamt davon ab, Hanf zu groß und mehrjährig  anzubauen. Zudem braucht es für die großen Pflanzen modifizierte Maschinen, die erst produziert werden müssen. Diese Herausforderung könnte aber durch Genossenschaften (wie z. B. Hanffaser Uckermark) gelöst werden; dadurch können sich Erntemaschinen und regionale Verarbeitungsanlagen geteilt werden. Auch ist frischer Hanf nicht unbedingt transportgeeignet. Für den Aspekt der Nachhaltigkeit müsste die Verarbeitung also auch regional erfolgen können.

Aber vielleicht sollte man diese Nachteile eher als eine Herausforderung betrachten, die sich mit den richtigen Ansätzen lösen lassen würde.

 

Eine Pflanze, viele Möglichkeiten

Als Nahrungsmittel punktet der Hanf mit viel Omega-Fettsäuren, welche sonst überwiegend in Fisch vorkommen. Das macht Hanf zu einem wertvollen Nahrungsergänzungsmittel für Veganer, aber ist auch generell eine ballaststoff- und eiweißreiche Proteinquelle, die ohne Gluten oder Soja auskommt. Die Samen des Hanfs verfügen über hohe Anteile an Antioxidantien und den Vitaminen E, B und B2, weswegen sie eine Alternative zu Milchprodukten und Fleisch sind. Die Produktpalette aus Hanfsamen ist ebenfalls recht vielfältig; aus ihnen lassen sich Lebensmittel herstellen, wie Aufstrich, Hanfmehl, Schokolade oder Tee (der sich prima in eine der bambusliebe Thermoflaschen mitnehmen lässt). Zudem liefert Hanf kleine Früchte, die ähnlich wie Nüsse schmecken. Aus ihnen wird Öl gewonnen und das ist aufgrund der Aminosäuren auch für die Kosmetikherstellung interessant. Auch für die Medizin ist Hanf recht ansprechend: Er kann bei Allergien oder Neurodermitis helfen.

Die Tenside der Hanfsamen eignen sich zudem für die Produktion von Bio-Waschmittel. Die Fasern der dicken Stängel können zu Papier, Seilen, Textilien aller Art, Dichtungsmaterial und Dämmwolle, Hundeleinen und Auto-Innenverkleidungen verarbeitet werden. Wird das Material noch gepresst und verleimt, können daraus Möbelstücke entstehen. Darüber hinaus sind die Stängel reich an Zellulose, was sie als Öl für Biokraftstoff einsetzbar macht.

Pflanzenreste und Blätter lassen sich zu saugfähigem Einstreu für Tiere einsetzen (übrigens gibt es auch Futter aus Hanf) oder auch für erneuerbare Energien. Forscher der  Clarkson University fanden 2014 heraus, dass Abfallprodukte von Hanf in sehr effiziente Stromspeicher transformiert werden können und auch der Wissenschaftler Robert M. Smith experimentiert mit Hanf-Batterien,  die überaus effizient, günstig und zu 100 % biologisch abbaubar sein würden.

 

Erlaubt und gut ist (nicht), was gefällt

Seit 1996 darf Nutzhanf in Deutschland wieder angebaut werden. Dieser hat einen niedrigen THC-Spiegel, also wenig von der Substanz mit der psychoaktiven Wirkung. Sein THC-Wert liegt bei 0,2 %, der von räucherbarem Marihuana bei 5-10 %. Von Nutzhanf high werden ist eigentlich nicht möglich und er eignet sich somit nicht, um diese Art Stoff herzustellen.

Das THC wird in den Harzdrüsen an den Blüten und Knospen der weiblichen Pflanze gebildet. Aber weil Industriehanf nicht deswegen angebaut wird, um viele, schöne Knospen zu produzieren, fehlt diese Komponente. Hinzu kommt, dass Industriehanf eine höhere Konzentration an Cannabidiol aufweist, eine Chemikalie, die sich negativ auf das THC auswirkt.

Die Verbraucherzentrale bestätigt, dass in den Hanfsamen von Natur aus kein THC enthalten ist. Aber wenn der Hanf geerntet wird, können die Samen mit anderen, THC-reichen Teilen der Pflanze in Kontakt kommen. So kann es durchaus vorkommen, dass sich THC auch in Hanfsamen findet und in Lebensmitteln, die daraus hergestellt wurden. Ist das jetzt bedenklich?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) spricht sich dafür aus, Hanfprodukte mit Vorsicht zu genießen. Zwar sei nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht mit bedenklichen Wirkungen zu rechen, solange die Richtwerte eingehalten werden, so die Behörde, doch seien diese Werte eben nur vorläufig und die Wirkungsweisen noch nicht abschließend geklärt. Außerdem würden die Richtwerte nicht selten überschritten. Vor allen Dingen gelte dies bei teeähnlichen Produkten, die überwiegend aus Blättern oder Blüten bestehen und bei entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln. Bei letzterer überschritten 94 % der Proben den Richtwert.

Die Verbraucherzentrale warnt daher vor zu viel Verzehr von Hanfprodukten (besonders im Zusammenhang mit bestimmten Arzneien und Alkohol) sowie davor, dass bei Schwangeren und Kindern gesundheitliche Folgen möglich sind.

 

Unerforschter Hoffnungsträger

So oder so ist Hanf ein Hoffnungsträger der Rohstoffe. Er ist robust, vielseitig und kann regional angebaut werden. Aber er ist ebenso eine Energiepflanze; auch bei Hanf gibt es Probleme, wenn er großflächig angebaut werden soll. Es mag zwar wenig Dünger erforderlich sein, dennoch benötigt ein Anbau im großen Stil (sprich: Monokulturen) viel Stickstoff – so wie auch Mais.

Bezüglich des Anbaus und der Pestizide gibt es nur wenig Aufschluss. Bisher wurde Hanf in diesem Maßstab im 20. Jahrhundert noch nicht angebaut. Ob das dafür spricht, Hanf im Eigenbedarf anzubauen?

Interessant ist auch der Bericht des Stockholmer Umweltinstituts von 2005, in dem Baumwolle, Hanf und synthetisches Polyester miteinander verglichen werden. In einer Anbausaison braucht Baumwolle ca. 50 % mehr Wasser als Hanf. Dafür ist der Verarbeitungsprozess, um aus Hanf  einen weichen, tragbaren Stoff zu machen, energieintensiv und teuer. Er erfordert eine ganz andere Herstellungsweise als Baumwolle, ein Umrüsten wäre daher erforderlich. Genauso sieht es auch beim Hanfplastik aus und deswegen wird es wohl nicht allzu bald Alternativen aus Hanf zu den herkömmlichen Kunststoffen geben.

Prof. Smart fasst das so zusammen: "Ich denke, dass die Behauptung der vielfachen Verwendbarkeit (...) richtig ist." Es sei aber offen, ob das auch "kostengünstiger, besser oder nachhaltiger ist, als die auf dem Markt vorhandenen und derzeit verwendeten Produkte."

Halten wir fest: Wir wissen also, dass wir noch nicht genug wissen. Aber Hanf ist cool und bis Forschung und Industrie so weit sind, bleiben wir bei anderen Alternativen – die aus Bambus zum Beispiel.

 

Quellen:

wikipedia.org/wiki/Hanf

canna-cologne.de/hanf-akku/

www.dw.com/de/ist-hanf-wirklich-eine-wunderpflanze/a-50613751

hashmuseum.com/de/die-pflanze/industrieller-hanf/plastik-auf-hanfbasis

verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/hanfsamen-hanfoel-hanftee-wie-steht-es-mit-der-sicherheit-12881

Manche Pflanzenarten sind so vielseitig nutzbar, dass es faszinierend ist. Dabei ist es gar nichts Neues, dass Mutter Natur uns alles gibt, was wir brauchen, wir haben es vielleicht nur vergessen. Deswegen ist es an der Zeit, mal über das „Cause I got high“-Image der Hanfpflanze hinauszublicken und uns wieder zu erinnern.

Der krautige Cannabis wächst meist einjährig, dabei erreichen die Stauden sehr unterschiedliche Höhen. An ungünstigen Standorten wird Hanf mitunter nur 20 cm groß, blüht und fruchtet aber trotzdem, wohingegen Pflanzen unter guten Bedingungen mehrere Meter hoch wachsen können. Weil die Wurzeln des Hanfs bis zu 140 cm in Tiefe wachsen, lockert die Pflanze feste Böden und verbessert die Struktur des Bodens. Dazu wächst Hanf recht schnell, sodass er schon in ungefähr hundert Tagen Ernte bereit ist. Dank seines dichten Blätterwerks, bekommen andere Krautgewächse nicht genug Licht und gehen ein. Deswegen sind beim Hanfanbau kaum Herbizide oder Pflanzenschutzmittel nötig und das hält die Umweltbelastung gering. Es gab in den USA und in Italien kleinere Untersuchungen, die zu Erfolg versprechenden Ergebnissen kamen: Wächst Hanf unter den richtigen Bedingungen, sind keine Herbizide notwendig; Hanf enthält von Natur aus Bestandteile, die Insekten abschrecken. Dennoch warnt Prof. Lawrence B. Smart von der Schule für Integrative Pflanzenkunde an der Cornell University vor der Behauptung, dass generell keine Pestizide nötig seien. Dort habe man Schädlinge und neue Pilzarten gefunden, die Hanf schädigen und die zurzeit untersucht werden.

Alle diese Vorzüge machen Hanf zu einer umweltfreundlichen, robusten Pflanze, die der Menschheitsgeschichte schon lange bekannt ist.

 

Richtig guter Stoff

In einem chinesischen Buch über Ackerbau und Heilpflanzen, das vermutlich zwischen 300 v. Chr. und 200 n. Chr. verfasst wurde, wird beschrieben, wie Hanf als Heilmittel gegen Rheuma, Malaria und andere Krankheiten helfen kann. Die Chinesen schätzten aber auch die nahrhaften Samen, genauso wie die robusten, langen Fasern der Stängel, aus denen z. B. Papier hergestellt wurde.

Die Fasern und Stoffe aus Hanf waren nass-, reißfest und strapazierfähig. Deswegen stand Hanf zur Zeit der Segelschifffahrt im 17. Jahrhundert ganz hoch im Kurs, da sich aus ihm Seile, Segel, Netze und Flaggen herstellen ließen und auch die Uniformen der Seeleute. Als der Fortschritt Dampfschiffe und Industrialisierung mit sich brachte, ging die Hanfproduktion zurück.

Zu der Zeit konnte Hanf noch nicht maschinell geerntet und gebrochen werden. Die Verarbeitung war Handarbeit – mühsam, aufwendig und teuer. Es wurden andere Rohstoffe entdeckt, deren Einkauf billiger und deren Weiterverarbeitung rationeller war: Baumwolle und die Erfindung der „Cotton Gin“ reformierten die Textilproduktion und die Papierhersteller fanden kostenloses, massenhaft vorhandenes Rohmaterial – Holz.

Ende der 1930er Jahre bekam Hanf in den USA wieder etwas Aufschwung, wurde jedoch durch das Marihuana Steuergesetz, den „Marijuana Tax Act“ und das Hanfanbauverbot gleicht wieder unterbunden. Kurz darauf kam der Zweite Weltkrieg und bedrohte die Rohstoffmärkte. Das Hanfverbot wurde nicht nur rückgängig gemacht, es wurde plötzlich auch Werbung für den Hanfanbau betrieben; schließlich sollten die Armeen mit strapazierfähigen Uniformen ausgerüstet werden. In den USA wurde Farmern der Film „Hemp for Victory“ (Hanf für den Sieg) vorgespielt, im Deutschen Reich die „Die lustige Hanffibel von 1942“ rausgebracht. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg war es für die vielseitige Pflanze endgültig vorbei.

Es heißt, die erste Gutenberg-Bibel bestand aus Hanfleinen und auch van Gogh und Rembrandt malten ihre Werke auf diesem Material. Selbst das erste Auto vom Fließband von Henry Ford fuhr vorbildlich und umweltfreundlich mit Hanföl (bzw. Ethanol). Entweder war der Mann seiner Zeit voraus oder dachte einfach an das Naheliegendste und so meinte er: "Warum sollten wir Wälder abholzen, die für ihr Wachstum Jahrhunderte gebraucht haben und Rohstoffminen erschöpfen, die sich in unzähligen Jahren gebildet haben, wenn wir jährlich das Äquivalent von Wald- und Bergwerksprodukten auf einem Hanffeld ernten können?" 1941 bewies Ford dann das faszinierende Potenzial, das in Hanf steckt, als er diesen Rohstoff mit innovativer Technologie kombinierte und den Prototypen eines „Hanf“-Wagens herstellte, dessen Karosserie  aus einem Verbundstoff bestand. Dieser setzte sich aus 70 % Hanffasern, Stroh, Sisal und Kunststoff aus Zellulosefasern zusammen. Das Auto wies eine beeindruckende Stoßfestigkeit auf, war aber wesentlich leichter als die damals gängigen Stahlmodelle.

 

Hanfanbau – Pro und ein bisschen Contra

Da wundert es nicht sehr, dass manche behaupten, dass sich über Tausende Produkte aus Hanf herstellen lassen würden – quasi alles, was auf Erdölbasis oder der von Holzzellulose produziert wird. Und ja, es ist ein vielseitiges Gewächs, das sicher ein enormes Potenzial hat. Das zeigt der Amerikaner Bruce Dietzen, der sich von Henry Ford inspirieren ließ und 2016 sein „Canna Car“ baute – bestehend aus 100 Pfund Hanf und Harz. Auch Prof. Smart bezeichnet Hanf als vielseitige Pflanze, „da verschiedene Teile vom Stängel bis zur Blüte ‚zum Wohnen und Anziehen‘ verwendet werden können – zumindest theoretisch“.

Warum auch nicht? Angebaut werden könnte Hanf so gut wie überall; er wächst schnell und ist genügsam. Seine Fasern sind robust, haben aber ein geringes Gewicht. Im Vergleich zu Baumwolle hätte der Hanfanbau kürzere Transportwege und bräuchte weniger Bewässerung. Da er von „Kopf bis Fuß“ verwertbar ist, kann dieser Rohstoff optimal genutzt werden und weil die Hanffasern so widerstandsfähig sind, kann der Stoffkreislauf durch sie verlängert werden: Das heißt, dass sich Papier aus Hanf öfter recyceln lässt, als Papier aus Holzfasern.

Allerdings kann das, was Vorteile hat, kann auch Nachteile haben. Aufgrund der Größe von Pflanze und Wurzel haben eben auch andere wichtige Beikräuter keine Chance zu wachsen, was die Vielfalt gefährdet. Aus diesem Grund rät das Sächsische Landesamt davon ab, Hanf zu groß und mehrjährig  anzubauen. Zudem braucht es für die großen Pflanzen modifizierte Maschinen, die erst produziert werden müssen. Diese Herausforderung könnte aber durch Genossenschaften (wie z. B. Hanffaser Uckermark) gelöst werden; dadurch können sich Erntemaschinen und regionale Verarbeitungsanlagen geteilt werden. Auch ist frischer Hanf nicht unbedingt transportgeeignet. Für den Aspekt der Nachhaltigkeit müsste die Verarbeitung also auch regional erfolgen können.

Aber vielleicht sollte man diese Nachteile eher als eine Herausforderung betrachten, die sich mit den richtigen Ansätzen lösen lassen würde.

 

Eine Pflanze, viele Möglichkeiten

Als Nahrungsmittel punktet der Hanf mit viel Omega-Fettsäuren, welche sonst überwiegend in Fisch vorkommen. Das macht Hanf zu einem wertvollen Nahrungsergänzungsmittel für Veganer, aber ist auch generell eine ballaststoff- und eiweißreiche Proteinquelle, die ohne Gluten oder Soja auskommt. Die Samen des Hanfs verfügen über hohe Anteile an Antioxidantien und den Vitaminen E, B und B2, weswegen sie eine Alternative zu Milchprodukten und Fleisch sind. Die Produktpalette aus Hanfsamen ist ebenfalls recht vielfältig; aus ihnen lassen sich Lebensmittel herstellen, wie Aufstrich, Hanfmehl, Schokolade oder Tee (der sich prima in eine der bambusliebe Thermoflaschen mitnehmen lässt). Zudem liefert Hanf kleine Früchte, die ähnlich wie Nüsse schmecken. Aus ihnen wird Öl gewonnen und das ist aufgrund der Aminosäuren auch für die Kosmetikherstellung interessant. Auch für die Medizin ist Hanf recht ansprechend: Er kann bei Allergien oder Neurodermitis helfen.

Die Tenside der Hanfsamen eignen sich zudem für die Produktion von Bio-Waschmittel. Die Fasern der dicken Stängel können zu Papier, Seilen, Textilien aller Art, Dichtungsmaterial und Dämmwolle, Hundeleinen und Auto-Innenverkleidungen verarbeitet werden. Wird das Material noch gepresst und verleimt, können daraus Möbelstücke entstehen. Darüber hinaus sind die Stängel reich an Zellulose, was sie als Öl für Biokraftstoff einsetzbar macht.

Pflanzenreste und Blätter lassen sich zu saugfähigem Einstreu für Tiere einsetzen (übrigens gibt es auch Futter aus Hanf) oder auch für erneuerbare Energien. Forscher der  Clarkson University fanden 2014 heraus, dass Abfallprodukte von Hanf in sehr effiziente Stromspeicher transformiert werden können und auch der Wissenschaftler Robert M. Smith experimentiert mit Hanf-Batterien,  die überaus effizient, günstig und zu 100 % biologisch abbaubar sein würden.

 

Erlaubt und gut ist (nicht), was gefällt

Seit 1996 darf Nutzhanf in Deutschland wieder angebaut werden. Dieser hat einen niedrigen THC-Spiegel, also wenig von der Substanz mit der psychoaktiven Wirkung. Sein THC-Wert liegt bei 0,2 %, der von räucherbarem Marihuana bei 5-10 %. Von Nutzhanf high werden ist eigentlich nicht möglich und er eignet sich somit nicht, um diese Art Stoff herzustellen.

Das THC wird in den Harzdrüsen an den Blüten und Knospen der weiblichen Pflanze gebildet. Aber weil Industriehanf nicht deswegen angebaut wird, um viele, schöne Knospen zu produzieren, fehlt diese Komponente. Hinzu kommt, dass Industriehanf eine höhere Konzentration an Cannabidiol aufweist, eine Chemikalie, die sich negativ auf das THC auswirkt.

Die Verbraucherzentrale bestätigt, dass in den Hanfsamen von Natur aus kein THC enthalten ist. Aber wenn der Hanf geerntet wird, können die Samen mit anderen, THC-reichen Teilen der Pflanze in Kontakt kommen. So kann es durchaus vorkommen, dass sich THC auch in Hanfsamen findet und in Lebensmitteln, die daraus hergestellt wurden. Ist das jetzt bedenklich?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) spricht sich dafür aus, Hanfprodukte mit Vorsicht zu genießen. Zwar sei nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht mit bedenklichen Wirkungen zu rechen, solange die Richtwerte eingehalten werden, so die Behörde, doch seien diese Werte eben nur vorläufig und die Wirkungsweisen noch nicht abschließend geklärt. Außerdem würden die Richtwerte nicht selten überschritten. Vor allen Dingen gelte dies bei teeähnlichen Produkten, die überwiegend aus Blättern oder Blüten bestehen und bei entsprechenden Nahrungsergänzungsmitteln. Bei letzterer überschritten 94 % der Proben den Richtwert.

Die Verbraucherzentrale warnt daher vor zu viel Verzehr von Hanfprodukten (besonders im Zusammenhang mit bestimmten Arzneien und Alkohol) sowie davor, dass bei Schwangeren und Kindern gesundheitliche Folgen möglich sind.

 

Unerforschter Hoffnungsträger

So oder so ist Hanf ein Hoffnungsträger der Rohstoffe. Er ist robust, vielseitig und kann regional angebaut werden. Aber er ist ebenso eine Energiepflanze; auch bei Hanf gibt es Probleme, wenn er großflächig angebaut werden soll. Es mag zwar wenig Dünger erforderlich sein, dennoch benötigt ein Anbau im großen Stil (sprich: Monokulturen) viel Stickstoff – so wie auch Mais.

Bezüglich des Anbaus und der Pestizide gibt es nur wenig Aufschluss. Bisher wurde Hanf in diesem Maßstab im 20. Jahrhundert noch nicht angebaut. Ob das dafür spricht, Hanf im Eigenbedarf anzubauen?

Interessant ist auch der Bericht des Stockholmer Umweltinstituts von 2005, in dem Baumwolle, Hanf und synthetisches Polyester miteinander verglichen werden. In einer Anbausaison braucht Baumwolle ca. 50 % mehr Wasser als Hanf. Dafür ist der Verarbeitungsprozess, um aus Hanf  einen weichen, tragbaren Stoff zu machen, energieintensiv und teuer. Er erfordert eine ganz andere Herstellungsweise als Baumwolle, ein Umrüsten wäre daher erforderlich. Genauso sieht es auch beim Hanfplastik aus und deswegen wird es wohl nicht allzu bald Alternativen aus Hanf zu den herkömmlichen Kunststoffen geben.

Prof. Smart fasst das so zusammen: "Ich denke, dass die Behauptung der vielfachen Verwendbarkeit (...) richtig ist." Es sei aber offen, ob das auch "kostengünstiger, besser oder nachhaltiger ist, als die auf dem Markt vorhandenen und derzeit verwendeten Produkte."

Halten wir fest: Wir wissen also, dass wir noch nicht genug wissen. Aber Hanf ist cool und bis Forschung und Industrie so weit sind, bleiben wir bei anderen Alternativen – die aus Bambus zum Beispiel.

 

Quellen:

wikipedia.org/wiki/Hanf

canna-cologne.de/hanf-akku/

www.dw.com/de/ist-hanf-wirklich-eine-wunderpflanze/a-50613751

hashmuseum.com/de/die-pflanze/industrieller-hanf/plastik-auf-hanfbasis

verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/kennzeichnung-und-inhaltsstoffe/hanfsamen-hanfoel-hanftee-wie-steht-es-mit-der-sicherheit-12881

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