13KGHT73 Nobody is (eco-)perfect
Nobody is (eco-)perfect

Nobody is (eco-)perfect

Nobody is (eco-)perfect

Gefühlt die halbe Welt verfolgt gebannt, wie ein 16-jähriges Mädchen von A nach B kommt und zweifelt die Aufrichtigkeit ihrer Absichten an. Ein junger Aktivist muss sich in den sozialen Medien mit fast feindseligen Kommentaren auseinandersetzen, weil er es wagte, Agavendicksaft zu kaufen, genauso wie die Bloggerin, die sich Naturkosmetik aus der Drogerie besorgte und dabei nicht bedachte, wie viele Anteile an der Naturmarke eine Firma hat, die man doch eigentlich boykottieren sollte. Und vielleicht musstest auch du dich dafür rechtfertigen, dass das Kokosöl das du verwendest, von weither eingeflogen wurde.

In Sachen Nachhaltigkeit läuft nicht alles perfekt – und das muss es auch nicht. Die Tatsache, dass einem das dennoch unter die Nase gerieben wird, wird treffend mit dem Wort „Öko-Shaming“ zusammengefasst. Es äußert sich in Anschuldigungen wie: „Siehst du, du ruinierst unseren Planeten ja doch“, soll gezielt Reue und Scham beim Betreffenden hervorrufen und ist einfach unsympathisch. Interesse an einer konstruktiven Debatte steckt nicht dahinter und letzten Endes dient es nur dazu, sich selbst als Öko-Shamer psychisch zu entlasten oder in irgendeiner Form zufriedenzustellen. Oft haben sie ein Lieblingsthema – mal ist es das Fliegen, mal das Fleisch essen, doch immer unterlassen sie es, ihren eigenen Lebensstil dabei zu prüfen. Vielleicht weil es leichter ist, das eigene Gewissen zu ignorieren oder mit dem Zeigefinger auf andere zu zeigen, anstatt über sich selber nachzudenken. (Öko-)Shamer verurteilen lieber.

Jenni von „Mehr als Grünzeug“ bringt das sehr gut auf den Punkt und bezeichnet solche Menschen als jene, die „auf einmal mentale To-be-Listen für den perfekten feministischen, minimalistischen, nachhaltigen, politisch korrekten … Zeitgenossen hervorziehen und die Tauglichkeit anderer auf Herz und Nieren überprüfen. Und sich nicht zu schade dafür sind, ihnen jede noch so kleine Abweichung, gleichbedeutend mit dem maximalen Weltbildversagen, unter die Nase zu reiben.“

Es ist so, als sollten andere in ihrem Bemühen als Heuchler entlarvt werden. Die Beweisstücke sind persönliche Fehlbarkeit. Deswegen sollten Umweltaktivisten generell nur Fahrrad fahren, Veganer niemals, niemals Lederschuhe tragen und überhaupt alle keine Avocados essen. Aber da die anderen das sowieso nicht richtig hinbekommen, kann man selbst auch weiterhin den CO2-Wert in die Höhe treiben. Erika Güroff, Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin beschreibt die Hintergründe ähnlich: „Zum einen geht es darum, besser sein zu müssen, als der andere. Doch eigentlich geht es dabei um eigene Probleme, die ich habe. Ich kann nicht gelassen sagen: ‘Es ist ein schwieriges Thema derzeit und ich versuche dem gerecht zu werden’, sondern man hat bei so komplexen Themen immer Angst, nicht gut genug zu sein.“ Dabei wäre es doch aber gerade gut, sich einfach mal mit der eigenen Fehlbarkeit auseinander zu setzen.

Viele denken: „Wenn ich das eh nicht richtig machen kann, lasse ich es lieber ganz sein“, was nicht nur schade, sondern auch gefährlich ist. Denn auf diese Weise breitet sich im Zusammenhang mit Öko-Shaming eine „Entweder-oder-Einstellung“ in den Köpfen aus. Entweder handelt man zu 100 % umweltfreundlich oder man lässt es doch lieber bleiben. Sollten sich besser nur jene fürs Klima engagieren, die ein vorbildlich-nachhaltiges Leben führen?

Aber wie viele gibt es denn, die völlig autark in ihrer kleinen Hütte leben, ein paar Schafe auf dem naturbelassenen Grundstück, um Wolle für Kleidung selbst herzustellen, mit Gemüsebeet für die eigene Ernte und ohne jegliche Elektronik?

Wenn nur solche das Privileg haben, sich für eine bessere Umwelt einzusetzen, werden da nicht sehr viele zusammenkommen. Eine kleine Bewegung, die möglicherweise ein paar Unterschriften auf Recyclingpapier zusammenbekommt. Die Parole „Wir sind viele – wir sind laut …“, können sie jedenfalls nicht übernehmen.  Macht´s gut Fridays for Future – war schön mit euch!

Aber nein, zum Glück sieht das ganz anders aus. Das worauf es ankommt ist, dass wir uns alle bemühen, etwas nachhaltiger zu leben – ohne Angst davor, sich rechtfertigen oder alles perfekt machen zu müssen. Wir sind doch ganz im Allgemeinen sowieso nicht perfekt. Warum sollten wir das auf einmal auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit sein?

Wenn jeder von uns jeden Tag etwas Kleines für die Umwelt tut, würde das so viel bewirken. Und eigentlich haben wir doch das gleiche Ziel vor Augen. Wir sollten uns gegenseitig unterstützen, um schneller vorwärtszukommen und nicht aneinander rumzerren. Wir sind alle anders, also fällt auch das, was wir tun können, anders aus und im Gesamtbild ergeben all diese unterschiedlichen Fortschritte einen großen Gewinn.

Wie gehen wir also damit um, wenn uns das nächste Mal der Perfektionismus überkommt oder wir mit Vorhaltungen konfrontiert werden? Auch wenn das leichter gesagt als getan ist: Wir lassen uns nicht entmutigen! Wir gehen unseren Weg weiter, in kleinen Schritten, hinterfragen Gewohnheiten, versuchen sie zu ändern. Denn das ist es, was wir ändern können – andere Menschen eher nicht.

Und: Dabei darf es uns gut gehen! Denn will man sich noch bemühen, wenn man mit sich selber unzufrieden ist, das Gefühl hat, dass einem ständig was angekreidet wird oder man mit einem schlechten Gewissen kämpft?

Die britischen Soziologen Jayne Raisborough und Matthew Adams führten eine wissenschaftliche Studie über die Motivation zum ethischen Konsum durch und fanden heraus, dass besonders Menschen aus der Mittelschicht bewusster konsumieren möchten und daher Bio- und Fair Trade-Produkte kaufen. Sie möchten durch gezielte Marktentscheidungen moralische Verantwortung übernehmen, wünschen sich soziale Gerechtigkeit und den Erhalt der Umwelt. Dennoch steht hinter der Motivation für den nachhaltigen Konsum in erster Linie das schlechte Gewissen darüber, mehr oder weniger auf der Seite der Globalisierung zu stehen.

Versuchen wir doch, den (Öko-)Perfektionismus runterzuschrauben. Paradoxerweise legen Perfektionisten keine besseren Leistungen an den Tag. Im Gegenteil, es führt eher dazu, dass einem Fehler unterlaufen, weil man sich zu viel vorgenommen hat. Durch ein bisschen Laissez-faire-Nachhaltigkeit erzielen wir bessere Ergebnisse und werden zufriedener.

Schon wieder die Stoffbeutel zu Hause vergessen? Macht nichts, dafür bist du vielleicht nicht mit dem Auto zur Arbeit gefahren.

Ignorieren wir auch Details und konzentrieren auf das große Ganze. Schon wieder nervt der Kollege mit einem unqualifizierten Kommentar? Egal, denn du hast einen Anteil daran, die Umweltsituation zu verbessern.

Erwarten wir von uns selbst und anderen nichts Unrealistisches und bleiben besonnen. Außerdem gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Die Skala zwischen „absolut großartig“ und „vollkommen miserabel“ umfasst viele Abstufungen. Zum Beispiel Grau. Und viele andere Farben.

Es reicht doch, wenn man sich in Sachen Nachhaltigkeit eine gute „Drei“ geben kann. Und allein das ist mitunter anstrengend. Auch Erika Güroff sagt: „Es rettet uns immer wieder, wenn wir uns überlegen: Was kann ich wirklich tun? Und sich klarzumachen, ich darf genießen, dass es mir gut geht“.

An alle unperfekten Ökos hat Nicole alias luzia pimpinella einen Dank niedergeschrieben, nachzulesen auf: https://www.luziapimpinella.com/oeko-shaming-vs-danke-an-alle-die-nicht-100-nachhaltig-leben/. Lass dir ein wenig die Seele streicheln. Du machst das prima! Weiter so!

Und an alle Öko-Shamer haben wir auch eine Nachricht: Ja, wir sind individuell, wir sind unperfekt und wir bedienen keine Klischees. Wir machen Fehler und schätzen unsere Umwelt trotzdem. Wir sind, was wir sind: im Herzen ein Öko – im Wesen ein Mensch.

Nobody is (eco-)perfect

Gefühlt die halbe Welt verfolgt gebannt, wie ein 16-jähriges Mädchen von A nach B kommt und zweifelt die Aufrichtigkeit ihrer Absichten an. Ein junger Aktivist muss sich in den sozialen Medien mit fast feindseligen Kommentaren auseinandersetzen, weil er es wagte, Agavendicksaft zu kaufen, genauso wie die Bloggerin, die sich Naturkosmetik aus der Drogerie besorgte und dabei nicht bedachte, wie viele Anteile an der Naturmarke eine Firma hat, die man doch eigentlich boykottieren sollte. Und vielleicht musstest auch du dich dafür rechtfertigen, dass das Kokosöl das du verwendest, von weither eingeflogen wurde.

In Sachen Nachhaltigkeit läuft nicht alles perfekt – und das muss es auch nicht. Die Tatsache, dass einem das dennoch unter die Nase gerieben wird, wird treffend mit dem Wort „Öko-Shaming“ zusammengefasst. Es äußert sich in Anschuldigungen wie: „Siehst du, du ruinierst unseren Planeten ja doch“, soll gezielt Reue und Scham beim Betreffenden hervorrufen und ist einfach unsympathisch. Interesse an einer konstruktiven Debatte steckt nicht dahinter und letzten Endes dient es nur dazu, sich selbst als Öko-Shamer psychisch zu entlasten oder in irgendeiner Form zufriedenzustellen. Oft haben sie ein Lieblingsthema – mal ist es das Fliegen, mal das Fleisch essen, doch immer unterlassen sie es, ihren eigenen Lebensstil dabei zu prüfen. Vielleicht weil es leichter ist, das eigene Gewissen zu ignorieren oder mit dem Zeigefinger auf andere zu zeigen, anstatt über sich selber nachzudenken. (Öko-)Shamer verurteilen lieber.

Jenni von „Mehr als Grünzeug“ bringt das sehr gut auf den Punkt und bezeichnet solche Menschen als jene, die „auf einmal mentale To-be-Listen für den perfekten feministischen, minimalistischen, nachhaltigen, politisch korrekten … Zeitgenossen hervorziehen und die Tauglichkeit anderer auf Herz und Nieren überprüfen. Und sich nicht zu schade dafür sind, ihnen jede noch so kleine Abweichung, gleichbedeutend mit dem maximalen Weltbildversagen, unter die Nase zu reiben.“

Es ist so, als sollten andere in ihrem Bemühen als Heuchler entlarvt werden. Die Beweisstücke sind persönliche Fehlbarkeit. Deswegen sollten Umweltaktivisten generell nur Fahrrad fahren, Veganer niemals, niemals Lederschuhe tragen und überhaupt alle keine Avocados essen. Aber da die anderen das sowieso nicht richtig hinbekommen, kann man selbst auch weiterhin den CO2-Wert in die Höhe treiben. Erika Güroff, Diplom-Psychologin und Verhaltenstherapeutin beschreibt die Hintergründe ähnlich: „Zum einen geht es darum, besser sein zu müssen, als der andere. Doch eigentlich geht es dabei um eigene Probleme, die ich habe. Ich kann nicht gelassen sagen: ‘Es ist ein schwieriges Thema derzeit und ich versuche dem gerecht zu werden’, sondern man hat bei so komplexen Themen immer Angst, nicht gut genug zu sein.“ Dabei wäre es doch aber gerade gut, sich einfach mal mit der eigenen Fehlbarkeit auseinander zu setzen.

Viele denken: „Wenn ich das eh nicht richtig machen kann, lasse ich es lieber ganz sein“, was nicht nur schade, sondern auch gefährlich ist. Denn auf diese Weise breitet sich im Zusammenhang mit Öko-Shaming eine „Entweder-oder-Einstellung“ in den Köpfen aus. Entweder handelt man zu 100 % umweltfreundlich oder man lässt es doch lieber bleiben. Sollten sich besser nur jene fürs Klima engagieren, die ein vorbildlich-nachhaltiges Leben führen?

Aber wie viele gibt es denn, die völlig autark in ihrer kleinen Hütte leben, ein paar Schafe auf dem naturbelassenen Grundstück, um Wolle für Kleidung selbst herzustellen, mit Gemüsebeet für die eigene Ernte und ohne jegliche Elektronik?

Wenn nur solche das Privileg haben, sich für eine bessere Umwelt einzusetzen, werden da nicht sehr viele zusammenkommen. Eine kleine Bewegung, die möglicherweise ein paar Unterschriften auf Recyclingpapier zusammenbekommt. Die Parole „Wir sind viele – wir sind laut …“, können sie jedenfalls nicht übernehmen.  Macht´s gut Fridays for Future – war schön mit euch!

Aber nein, zum Glück sieht das ganz anders aus. Das worauf es ankommt ist, dass wir uns alle bemühen, etwas nachhaltiger zu leben – ohne Angst davor, sich rechtfertigen oder alles perfekt machen zu müssen. Wir sind doch ganz im Allgemeinen sowieso nicht perfekt. Warum sollten wir das auf einmal auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit sein?

Wenn jeder von uns jeden Tag etwas Kleines für die Umwelt tut, würde das so viel bewirken. Und eigentlich haben wir doch das gleiche Ziel vor Augen. Wir sollten uns gegenseitig unterstützen, um schneller vorwärtszukommen und nicht aneinander rumzerren. Wir sind alle anders, also fällt auch das, was wir tun können, anders aus und im Gesamtbild ergeben all diese unterschiedlichen Fortschritte einen großen Gewinn.

Wie gehen wir also damit um, wenn uns das nächste Mal der Perfektionismus überkommt oder wir mit Vorhaltungen konfrontiert werden? Auch wenn das leichter gesagt als getan ist: Wir lassen uns nicht entmutigen! Wir gehen unseren Weg weiter, in kleinen Schritten, hinterfragen Gewohnheiten, versuchen sie zu ändern. Denn das ist es, was wir ändern können – andere Menschen eher nicht.

Und: Dabei darf es uns gut gehen! Denn will man sich noch bemühen, wenn man mit sich selber unzufrieden ist, das Gefühl hat, dass einem ständig was angekreidet wird oder man mit einem schlechten Gewissen kämpft?

Die britischen Soziologen Jayne Raisborough und Matthew Adams führten eine wissenschaftliche Studie über die Motivation zum ethischen Konsum durch und fanden heraus, dass besonders Menschen aus der Mittelschicht bewusster konsumieren möchten und daher Bio- und Fair Trade-Produkte kaufen. Sie möchten durch gezielte Marktentscheidungen moralische Verantwortung übernehmen, wünschen sich soziale Gerechtigkeit und den Erhalt der Umwelt. Dennoch steht hinter der Motivation für den nachhaltigen Konsum in erster Linie das schlechte Gewissen darüber, mehr oder weniger auf der Seite der Globalisierung zu stehen.

Versuchen wir doch, den (Öko-)Perfektionismus runterzuschrauben. Paradoxerweise legen Perfektionisten keine besseren Leistungen an den Tag. Im Gegenteil, es führt eher dazu, dass einem Fehler unterlaufen, weil man sich zu viel vorgenommen hat. Durch ein bisschen Laissez-faire-Nachhaltigkeit erzielen wir bessere Ergebnisse und werden zufriedener.

Schon wieder die Stoffbeutel zu Hause vergessen? Macht nichts, dafür bist du vielleicht nicht mit dem Auto zur Arbeit gefahren.

Ignorieren wir auch Details und konzentrieren auf das große Ganze. Schon wieder nervt der Kollege mit einem unqualifizierten Kommentar? Egal, denn du hast einen Anteil daran, die Umweltsituation zu verbessern.

Erwarten wir von uns selbst und anderen nichts Unrealistisches und bleiben besonnen. Außerdem gibt es nicht nur Schwarz und Weiß. Die Skala zwischen „absolut großartig“ und „vollkommen miserabel“ umfasst viele Abstufungen. Zum Beispiel Grau. Und viele andere Farben.

Es reicht doch, wenn man sich in Sachen Nachhaltigkeit eine gute „Drei“ geben kann. Und allein das ist mitunter anstrengend. Auch Erika Güroff sagt: „Es rettet uns immer wieder, wenn wir uns überlegen: Was kann ich wirklich tun? Und sich klarzumachen, ich darf genießen, dass es mir gut geht“.

An alle unperfekten Ökos hat Nicole alias luzia pimpinella einen Dank niedergeschrieben, nachzulesen auf: https://www.luziapimpinella.com/oeko-shaming-vs-danke-an-alle-die-nicht-100-nachhaltig-leben/. Lass dir ein wenig die Seele streicheln. Du machst das prima! Weiter so!

Und an alle Öko-Shamer haben wir auch eine Nachricht: Ja, wir sind individuell, wir sind unperfekt und wir bedienen keine Klischees. Wir machen Fehler und schätzen unsere Umwelt trotzdem. Wir sind, was wir sind: im Herzen ein Öko – im Wesen ein Mensch.

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