13KGHT73 Die glanzlose Seite des Schimmer-Effekts
Die glanzlose Seite des Schimmer-Effekts

Die glanzlose Seite des Schimmer-Effekts


Anita, Anil und Gagan üben die gleiche Arbeit aus. Sie sind aber keine Kollegen, vielmehr sind sie Schicksalsgefährten. Die drei gehören zu den vielen Menschen, die in den indischen Bundesstaaten Jharkhand und Bihar das Glimmer-Mineral Mica abbauen. Der Filmautor Brando Baranzelli hat sie getroffen und sich erzählen lassen, wie sie um ihr Auskommen kämpfen.

Seit Anitas Mann bei einem Grubenunglück ums Leben kam, muss sie sich und ihre vier Kinder selbst versorgen. Jeden Tag geht sie zwei Kilometer in der prallen Sonne, um Steine zu sammeln. Wenn ihre Kinder nicht in der Schule sind, begleiten sie Anita und helfen ihr bei der Arbeit. Nach gut drei Stunden ist genug Mica zusammengekommen, damit sich die Familie für den Tag etwas zu Essen kaufen kann.

Auch Anil ernährt seine Familie mit dem Abbau der Mineralien. Früher war er Landwirt, doch durch die Dürre und den Klimawandel ist der Boden seines Landes unbrauchbar geworden. Nun verdient er durch den Verkauf von Mica umgerechnet zwischen 3,80 EUR und 5,00 EUR pro Tag.

Der achtjährige Gagan geht jeden Sonntag um 6.00 Uhr zur Mine, auf der Suche nach Mica. Er tut es nicht gern, aber von dem Geld, dass er dadurch verdient, kann er sich Stifte und Hefte für die Schule kaufen.

Die glanzvollen Endprodukte, in denen das Mineral steckt, für welches Anita, Anil und Gagan hart arbeiten, verwenden wir nahezu täglich. Das sollte Anlass genug sein, sich einmal damit zu befassen, was hinter dem Geschäft mit Mica steht.

 

Was ist Glimmer?

Dass die Hügel in Jharkhand in der Sonne glitzern, liegt an Mineralien in der Erde. Die Glimmer-Mineralien zählen zur Gruppe der Silikate und sind Bestandteil von verschiedenen Gesteinsarten; sie kommen beispielsweise auch in Schiefern, Sandsteinen oder Graniten vor. Der englische Name Mica leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet soviel wie „glitzern“ (micare) oder auch „Krümchen“; bekannt ist der Stein auch als Muskovit oder Kaztensilber. Abgebaut wird er vor allem in Indien, China und den USA, wobei Indien der Hauptexporteur ist. Über 30 % des Glimmers, den Europa bezieht, stammt aus Indien. In Deutschland kommen mehrere Container mit Mica pro Woche an.

Pulverisiert wird Mica in Farben und Lacken verwendet und verleiht vielen Produkten ihren schimmernden Effekt. Als Farbstoffkürzel versteckt Mica sich gelegentlich hinter der Kennzeichnung CI 77019. Es steckt in Duschgelen und Shampoo, in Asphalt oder auch in Gummiprodukten und Plastikteilen. Die Elektroindustrie setzt Glimmer in dünnen Plättchen geschnitten als Isoliermaterial ein (z. B. in Toastern). Der Hauptverwendungszweck für Mica ist allerdings die dekorative Kosmetik.

Der Mica-Abbau ist so gut wie ausschließlich von Handarbeit möglich. Das Graben und Schürfen danach ist eine hochriskante Tätigkeit und gerade die daraus bestehende Endware soll uns ein strahlendes Aussehen verleihen.

 

Der lange Weg des Mica

In Jharkhand und Bihar ist der Abbau von Glimmer der einzige Wirtschaftszweig und somit für über 90 % der Menschen dort die einzige Einnahmequelle. Es gibt keine geführten Minen; jeder sucht für sich. So verlassen die Einwohner Tag für Tag ihre Dörfer, damit sie etwas Geld verdienen und sich davon Essen kaufen können. Nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen arbeiten auch rund 20.000 Kinder in den Mica-Minen Indiens. All jene, die nicht nach Mica suchen können, zerbröseln die Steine und sortieren die Stücke. Um größere Brocken oder auch überhaupt noch etwas zu finden, müssen die Arbeiter immer mehr in die Tiefe gehen und an schwer erreichbaren Stellen graben. Die NGO Bachpan Bachao Andolan (BBA) dokumentiert monatlich zwischen zehn und zwanzig Todesfälle in eingestürzten Gruben.

Auch gehören Knochenbrüche und Schnittwunden zum Arbeitsalltag. Die Bisse von Schlangen oder Skorpionen können Vergiftungen mit sich bringen und eingeatmeter Quarzstaub zu Atemwegserkrankungen führen. Viele Arbeiter werden krank, müssen sich verschulden, damit sie sich behandeln lassen können und dann noch mehr arbeiten, um die Schulden zu begleichen.

Zu den Menschen, die tief unter der Erde arbeiten, gehört auch der 35-jährige Karan. Er arbeitet acht Stunden in der Dunkelheit, 15 Meter unter der Erde, ohne Stützbalken. Die Temperatur dort unten beträgt um die 45 Grad. Sein Verdienst: um die 300 Rupien täglich, umgerechnet 3,80 EUR. Ja, er hat Angst um sein Leben, sagt er, doch wenn man Hunger hat, verschwindet die Angst.

Eigentlich ist der Abbau von Mica in Jharkhand und Bihar von den Behörden strikt verboten. In den 90er Jahren wurden die wilden Täler in den Regionen zu Naturschutzgebieten erklärt und die Regierung ließ die Minen dort schließen. Offiziell kommt das Mica deswegen aus Rajasthan, wo der Abbau legal und behördlich kontrolliert betrieben wird. Dennoch stammen 90 % des exportierten Rohstoffs aus den illegalen Minen Jharkhands und Bihars, sodass die Gegend dort  inzwischen ein wenig an Mondlandschaft erinnert. Von dort beziehen auch große internationale Konzerne oder deren Zulieferer das Mica.

Brando Baranzelli ermöglicht uns einen genaueren Blick auf die Lieferkette: Jeden Abend bringen die Menschen ihre Ausbeute zu Sammelstellen, an denen das Mica nach Gewicht von kleinen Händlern gekauft wird.  Dort weiß man um die Herkunft des Minerals, zerredet sie aber. So äußerte ein Händler gegenüber Baranzelli: “Die Kinder arbeiten da nicht. Sind nur dort, um den Eltern Essen zur Arbeit zu bringen, davon wurden von der Presse dann Fotos gemacht.“

Je nach Qualität bekommen die Arbeiter dafür zwischen 10 und 15 Cent für ein Kilogramm Mica, das später auf dem Weltmarkt für ca. 1,70 EUR/kg gehandelt wird. Die Händler verkaufen das Material an lokale Großhändler und Exporteure weiter. In deren Verarbeitungsanlagen wird das Mica sortiert, zerkleinert, gefiltert und gereinigt. Das Ergebnis sind reine Mika-Flocken, kleine Stückchen, die Perlmutt-ähnlich schimmern. Diese gehen für ca. 500,00 EUR die Tonne nach Europa.

Laut eines ansässigen Großhändlers besitzen die Firmen dort eine Exportgenehmigung. Sie führen zwar keinen Bergbaubetrieb, könnten sich die entsprechenden Papiere aber besorgen. Die Ware kommt also aus Jharkhand, die Genehmigungen dafür jedoch aus Rajasthan und Belwahra. So ist die Ware legalisiert und die Unternehmen bleiben sauber. Mit gekauften Zertifikaten belegen sie die ordnungsgemäße Einhaltung auferlegter Richtlinien, wie die des Verbots der Kinderarbeit. Es sei kein Problem daran zu kommen – nur teuer. Ein Großhändler erklärt: „Es gibt hier eine Redewendung: 'Haben Leute, die keine Kühe besitzen, auch automatisch keine Milch?' Warum also sollte man kein Zertifikat haben, bloß weil die Vorgaben nicht erfüllt sind?“

Ein Mitarbeiter der BBA bezeichnet das Geschäft mit dem Glimmer als von einer „Kultur des Schweigens“ umhüllt.

Die Abnehmer führen zwar auch eigene Kontrollen durch, aber auch dafür sind die indischen Firmen gewappnet und am Tag der Inspektion sind keine Frauen und Kinder in den Gruben zu finden. Aufgrund der Trickserei und der undurchsichtigen Vertriebswege sind Initiativen zur transparenten Herkunft des Glimmers zum Scheitern verurteilt. Dennoch ist sich der größte deutsche Abnehmer sicher: Er arbeite bereits seit Jahren mit Lieferanten zusammen, die die Standards zum Arbeitsschutz einhalten und in deren Minen keine Kinder arbeiten. Zusammen mit anderen Unternehmen gründete dieser Abnehmer die "Responsible Mica Initiative“ mit dem Ziel, bis 2022 die Kinderarbeit in den Minen zu beenden und nur noch legal abgebautes Mica zu kaufen. Außerdem sollen in Jharkhand neue Arbeitsplätze entstehen. Arbeitsplätze, welche die Bevölkerung dringend braucht. Denn auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Woher würden die Arbeiter ihr Einkommen erhalten, wenn sich die internationalen Abnehmer zurückziehen und kein Mica mehr beziehen würden?

Ob es mutig ist, trotz der dortigen Probleme Kunde und Importeur zu bleiben, sei offen gelassen. Diejenigen, die auf der Gewinnerseite des Geschäfts stehen, sind die Mica-Händler und Exporteure und die Importeure scheinen sich mit indischen Zertifikaten zufriedenzugeben.

 

Den Glimmer unseres Alltags wahrnehmen (und vermeiden?)

Es mag mehr oder weniger verdrießlich stimmen, hat man sich erst einmal mit dem Hintergrund des Glimmers beschäftigt. Aber kann man als Verbraucher etwas zur Lösung der prekären Lage beitragen? Nun, wir können kaum den Asphalt meiden oder kein Auto mehr fahren und es wäre auch nicht Sinn der Sache. Aber wir könnten von unserem Kassenbon-Stimmzettel Gebrauch machen und Kosmetik mit Bedacht kaufen. Man muss zwar etwas suchen, aber es gibt im Bereich der Naturkosmetik auch welche ohne Mica. Ein paar Hersteller ersetzen es durch pflanzliche Alternativen und es gibt auch Glitter aus Zellulose.

Eine Alternative wäre das Selbermachen. Es gibt DIY-Anleitungen nach denen man aus Speisestärke, Zimt und Kakao sein eigenes Puder mixen kann. Manch einer mag entgegnen, dass Stärke die Poren verstopft, da sie aufquillt. Allerdings braucht Stärke zum Quellen Hitze, genauer gesagt mindestens 47 Grad und sollte unser Gesicht diese Temperatur erreichen, hätten wir wohl andere Sorgen als Hautprobleme.

Vielleicht ist die Zusammenstellung von Stärke und Co. aber nicht deckend genug. In dem Fall kann eine andere Mischung weiterhelfen: Heilerde (hautfein, ultra- oder mikrofein) und gemahlener, weißer Ton. Beide Zutaten sind in der Apotheke zu bekommen und werden dann einfach 1:1 gemischt. Da jede Haut anders beschaffen ist und reagiert, kann man sich ein bisschen durchprobieren. Wichtig ist das abendliche Abschminken und reinigen des Gesichts mit den waschbaren Abschminkpads. Aber das ist es eigentlich so oder so, unabhängig davon ob und was man aufs Gesicht aufträgt.

Sicher sind diese Bemühungen nur ein kleines Zeichen. Eine kleine Geste, die zum Ausdruck bringt, dass uns das Leben unserer Mitmenschen in Indien nicht egal ist. Und sie kann uns dazu veranlassen, an Anita, Anil und Gagan zu denken, wenn wir das nächste Mal durch die Kosmetik-Abteilung einer Drogerie gehen – und dann die entsprechende Wahl zu treffen.

 

Quellen:

https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/kosmetik-schminke-kinderarbeit-indien-mica-100.html

aktiv-gegen-kinderarbeit.de

https://www.spiegel.de/wirtschaft/indien-wie-kinder-in-den-glimmer-minen-von-jharkhand-ausgebeutet-werden-a-1149309.html


Anita, Anil und Gagan üben die gleiche Arbeit aus. Sie sind aber keine Kollegen, vielmehr sind sie Schicksalsgefährten. Die drei gehören zu den vielen Menschen, die in den indischen Bundesstaaten Jharkhand und Bihar das Glimmer-Mineral Mica abbauen. Der Filmautor Brando Baranzelli hat sie getroffen und sich erzählen lassen, wie sie um ihr Auskommen kämpfen.

Seit Anitas Mann bei einem Grubenunglück ums Leben kam, muss sie sich und ihre vier Kinder selbst versorgen. Jeden Tag geht sie zwei Kilometer in der prallen Sonne, um Steine zu sammeln. Wenn ihre Kinder nicht in der Schule sind, begleiten sie Anita und helfen ihr bei der Arbeit. Nach gut drei Stunden ist genug Mica zusammengekommen, damit sich die Familie für den Tag etwas zu Essen kaufen kann.

Auch Anil ernährt seine Familie mit dem Abbau der Mineralien. Früher war er Landwirt, doch durch die Dürre und den Klimawandel ist der Boden seines Landes unbrauchbar geworden. Nun verdient er durch den Verkauf von Mica umgerechnet zwischen 3,80 EUR und 5,00 EUR pro Tag.

Der achtjährige Gagan geht jeden Sonntag um 6.00 Uhr zur Mine, auf der Suche nach Mica. Er tut es nicht gern, aber von dem Geld, dass er dadurch verdient, kann er sich Stifte und Hefte für die Schule kaufen.

Die glanzvollen Endprodukte, in denen das Mineral steckt, für welches Anita, Anil und Gagan hart arbeiten, verwenden wir nahezu täglich. Das sollte Anlass genug sein, sich einmal damit zu befassen, was hinter dem Geschäft mit Mica steht.

 

Was ist Glimmer?

Dass die Hügel in Jharkhand in der Sonne glitzern, liegt an Mineralien in der Erde. Die Glimmer-Mineralien zählen zur Gruppe der Silikate und sind Bestandteil von verschiedenen Gesteinsarten; sie kommen beispielsweise auch in Schiefern, Sandsteinen oder Graniten vor. Der englische Name Mica leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet soviel wie „glitzern“ (micare) oder auch „Krümchen“; bekannt ist der Stein auch als Muskovit oder Kaztensilber. Abgebaut wird er vor allem in Indien, China und den USA, wobei Indien der Hauptexporteur ist. Über 30 % des Glimmers, den Europa bezieht, stammt aus Indien. In Deutschland kommen mehrere Container mit Mica pro Woche an.

Pulverisiert wird Mica in Farben und Lacken verwendet und verleiht vielen Produkten ihren schimmernden Effekt. Als Farbstoffkürzel versteckt Mica sich gelegentlich hinter der Kennzeichnung CI 77019. Es steckt in Duschgelen und Shampoo, in Asphalt oder auch in Gummiprodukten und Plastikteilen. Die Elektroindustrie setzt Glimmer in dünnen Plättchen geschnitten als Isoliermaterial ein (z. B. in Toastern). Der Hauptverwendungszweck für Mica ist allerdings die dekorative Kosmetik.

Der Mica-Abbau ist so gut wie ausschließlich von Handarbeit möglich. Das Graben und Schürfen danach ist eine hochriskante Tätigkeit und gerade die daraus bestehende Endware soll uns ein strahlendes Aussehen verleihen.

 

Der lange Weg des Mica

In Jharkhand und Bihar ist der Abbau von Glimmer der einzige Wirtschaftszweig und somit für über 90 % der Menschen dort die einzige Einnahmequelle. Es gibt keine geführten Minen; jeder sucht für sich. So verlassen die Einwohner Tag für Tag ihre Dörfer, damit sie etwas Geld verdienen und sich davon Essen kaufen können. Nach Schätzungen von Nichtregierungsorganisationen arbeiten auch rund 20.000 Kinder in den Mica-Minen Indiens. All jene, die nicht nach Mica suchen können, zerbröseln die Steine und sortieren die Stücke. Um größere Brocken oder auch überhaupt noch etwas zu finden, müssen die Arbeiter immer mehr in die Tiefe gehen und an schwer erreichbaren Stellen graben. Die NGO Bachpan Bachao Andolan (BBA) dokumentiert monatlich zwischen zehn und zwanzig Todesfälle in eingestürzten Gruben.

Auch gehören Knochenbrüche und Schnittwunden zum Arbeitsalltag. Die Bisse von Schlangen oder Skorpionen können Vergiftungen mit sich bringen und eingeatmeter Quarzstaub zu Atemwegserkrankungen führen. Viele Arbeiter werden krank, müssen sich verschulden, damit sie sich behandeln lassen können und dann noch mehr arbeiten, um die Schulden zu begleichen.

Zu den Menschen, die tief unter der Erde arbeiten, gehört auch der 35-jährige Karan. Er arbeitet acht Stunden in der Dunkelheit, 15 Meter unter der Erde, ohne Stützbalken. Die Temperatur dort unten beträgt um die 45 Grad. Sein Verdienst: um die 300 Rupien täglich, umgerechnet 3,80 EUR. Ja, er hat Angst um sein Leben, sagt er, doch wenn man Hunger hat, verschwindet die Angst.

Eigentlich ist der Abbau von Mica in Jharkhand und Bihar von den Behörden strikt verboten. In den 90er Jahren wurden die wilden Täler in den Regionen zu Naturschutzgebieten erklärt und die Regierung ließ die Minen dort schließen. Offiziell kommt das Mica deswegen aus Rajasthan, wo der Abbau legal und behördlich kontrolliert betrieben wird. Dennoch stammen 90 % des exportierten Rohstoffs aus den illegalen Minen Jharkhands und Bihars, sodass die Gegend dort  inzwischen ein wenig an Mondlandschaft erinnert. Von dort beziehen auch große internationale Konzerne oder deren Zulieferer das Mica.

Brando Baranzelli ermöglicht uns einen genaueren Blick auf die Lieferkette: Jeden Abend bringen die Menschen ihre Ausbeute zu Sammelstellen, an denen das Mica nach Gewicht von kleinen Händlern gekauft wird.  Dort weiß man um die Herkunft des Minerals, zerredet sie aber. So äußerte ein Händler gegenüber Baranzelli: “Die Kinder arbeiten da nicht. Sind nur dort, um den Eltern Essen zur Arbeit zu bringen, davon wurden von der Presse dann Fotos gemacht.“

Je nach Qualität bekommen die Arbeiter dafür zwischen 10 und 15 Cent für ein Kilogramm Mica, das später auf dem Weltmarkt für ca. 1,70 EUR/kg gehandelt wird. Die Händler verkaufen das Material an lokale Großhändler und Exporteure weiter. In deren Verarbeitungsanlagen wird das Mica sortiert, zerkleinert, gefiltert und gereinigt. Das Ergebnis sind reine Mika-Flocken, kleine Stückchen, die Perlmutt-ähnlich schimmern. Diese gehen für ca. 500,00 EUR die Tonne nach Europa.

Laut eines ansässigen Großhändlers besitzen die Firmen dort eine Exportgenehmigung. Sie führen zwar keinen Bergbaubetrieb, könnten sich die entsprechenden Papiere aber besorgen. Die Ware kommt also aus Jharkhand, die Genehmigungen dafür jedoch aus Rajasthan und Belwahra. So ist die Ware legalisiert und die Unternehmen bleiben sauber. Mit gekauften Zertifikaten belegen sie die ordnungsgemäße Einhaltung auferlegter Richtlinien, wie die des Verbots der Kinderarbeit. Es sei kein Problem daran zu kommen – nur teuer. Ein Großhändler erklärt: „Es gibt hier eine Redewendung: 'Haben Leute, die keine Kühe besitzen, auch automatisch keine Milch?' Warum also sollte man kein Zertifikat haben, bloß weil die Vorgaben nicht erfüllt sind?“

Ein Mitarbeiter der BBA bezeichnet das Geschäft mit dem Glimmer als von einer „Kultur des Schweigens“ umhüllt.

Die Abnehmer führen zwar auch eigene Kontrollen durch, aber auch dafür sind die indischen Firmen gewappnet und am Tag der Inspektion sind keine Frauen und Kinder in den Gruben zu finden. Aufgrund der Trickserei und der undurchsichtigen Vertriebswege sind Initiativen zur transparenten Herkunft des Glimmers zum Scheitern verurteilt. Dennoch ist sich der größte deutsche Abnehmer sicher: Er arbeite bereits seit Jahren mit Lieferanten zusammen, die die Standards zum Arbeitsschutz einhalten und in deren Minen keine Kinder arbeiten. Zusammen mit anderen Unternehmen gründete dieser Abnehmer die "Responsible Mica Initiative“ mit dem Ziel, bis 2022 die Kinderarbeit in den Minen zu beenden und nur noch legal abgebautes Mica zu kaufen. Außerdem sollen in Jharkhand neue Arbeitsplätze entstehen. Arbeitsplätze, welche die Bevölkerung dringend braucht. Denn auf der anderen Seite stellt sich die Frage: Woher würden die Arbeiter ihr Einkommen erhalten, wenn sich die internationalen Abnehmer zurückziehen und kein Mica mehr beziehen würden?

Ob es mutig ist, trotz der dortigen Probleme Kunde und Importeur zu bleiben, sei offen gelassen. Diejenigen, die auf der Gewinnerseite des Geschäfts stehen, sind die Mica-Händler und Exporteure und die Importeure scheinen sich mit indischen Zertifikaten zufriedenzugeben.

 

Den Glimmer unseres Alltags wahrnehmen (und vermeiden?)

Es mag mehr oder weniger verdrießlich stimmen, hat man sich erst einmal mit dem Hintergrund des Glimmers beschäftigt. Aber kann man als Verbraucher etwas zur Lösung der prekären Lage beitragen? Nun, wir können kaum den Asphalt meiden oder kein Auto mehr fahren und es wäre auch nicht Sinn der Sache. Aber wir könnten von unserem Kassenbon-Stimmzettel Gebrauch machen und Kosmetik mit Bedacht kaufen. Man muss zwar etwas suchen, aber es gibt im Bereich der Naturkosmetik auch welche ohne Mica. Ein paar Hersteller ersetzen es durch pflanzliche Alternativen und es gibt auch Glitter aus Zellulose.

Eine Alternative wäre das Selbermachen. Es gibt DIY-Anleitungen nach denen man aus Speisestärke, Zimt und Kakao sein eigenes Puder mixen kann. Manch einer mag entgegnen, dass Stärke die Poren verstopft, da sie aufquillt. Allerdings braucht Stärke zum Quellen Hitze, genauer gesagt mindestens 47 Grad und sollte unser Gesicht diese Temperatur erreichen, hätten wir wohl andere Sorgen als Hautprobleme.

Vielleicht ist die Zusammenstellung von Stärke und Co. aber nicht deckend genug. In dem Fall kann eine andere Mischung weiterhelfen: Heilerde (hautfein, ultra- oder mikrofein) und gemahlener, weißer Ton. Beide Zutaten sind in der Apotheke zu bekommen und werden dann einfach 1:1 gemischt. Da jede Haut anders beschaffen ist und reagiert, kann man sich ein bisschen durchprobieren. Wichtig ist das abendliche Abschminken und reinigen des Gesichts mit den waschbaren Abschminkpads. Aber das ist es eigentlich so oder so, unabhängig davon ob und was man aufs Gesicht aufträgt.

Sicher sind diese Bemühungen nur ein kleines Zeichen. Eine kleine Geste, die zum Ausdruck bringt, dass uns das Leben unserer Mitmenschen in Indien nicht egal ist. Und sie kann uns dazu veranlassen, an Anita, Anil und Gagan zu denken, wenn wir das nächste Mal durch die Kosmetik-Abteilung einer Drogerie gehen – und dann die entsprechende Wahl zu treffen.

 

Quellen:

https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/kosmetik-schminke-kinderarbeit-indien-mica-100.html

aktiv-gegen-kinderarbeit.de

https://www.spiegel.de/wirtschaft/indien-wie-kinder-in-den-glimmer-minen-von-jharkhand-ausgebeutet-werden-a-1149309.html

In Verbindung stehende Artikel
Recent articles
Die Erde hat Burnout

Die Erde hat Burnout

Ein paar Küchen-Zeilen und sechs Tipps

Ein paar Küchen-Zeilen und sechs Tipps

Das Märchen vom „guten“ Plastik

Das Märchen vom „guten“ Plastik

Aller Anfang ist gar nicht so schwer

Aller Anfang ist gar nicht so schwer


Deine Privatsphäre ist uns wichtig Wir verwenden Cookies, um sicherzustellen, dass Du die beste Erfahrung auf unserer Website erhältst. Privacy Policy